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Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels

Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels

Titel: Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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vielleicht glaubst.«
    Mit einer Königskrabbe in dem dampfenden Eintopf belud sie seinen Teller, rief dann über die Schulter einige Sklavinnen herbei, die die dicke Suppe in Holzschalen füllten. Nacheinander nahmen Kupferdonners Krieger ihre Mahlzeit an. Erst als alle Männer versorgt waren, nahmen sich die Sklavinnen ihren Anteil und zogen sich zum Essen in ihre Ecke im Langhaus zurück.
    Kupferdonner kostete von dem Eintopf. »Ich glaube nicht, dass ausgerechnet du in seichten Wassern watest, Muschelkamm. Nein, du gehst ins Tiefe, da, wo das Wasser dunkel und undurchdringlich ist.«
    Muschelkamm lächelte, als hätte sie ein Kompliment gehört und sagte: »Erst wenn wir tief unten in der Finsternis sind, wissen wir, wie schnell das Leben vergeht.«
    Jagender Falke fuhr sich mit der Zunge durch den zahnlosen Mund und über den Gaumen, als sie unter Schmerzen um die Rindenbedeckte Wand des Hauses der Toten herum zum Ein-lass humpelte. Die Feuchtigkeit in der kühlen Luft dämpfte den Geruch der Verwesung, aber sie hatte den stechenden süßlichen Gestank noch in der Nase.
    Der Morgen blieb kalt, grau und bedrohlich. Nebelschwaden wälzten sich von der Bucht herüber, krochen den Fluss hinauf und zerfransten in den Bäumen hinter Flache Perle.
    Jagender Falke lehnte sich an die verwitterte Rindenwand und atmete tief; sie versuchte sich zu erinnern, wann sie sich jemals so müde gefühlt hatte. Nicht einmal nach der Geburt ihrer Kinder war sie so erschöpft gewesen. Aber eine Geburt war, wie so vieles im Leben, ein Kompromiss. Der Schöpfer Ohona hatte Frauen so geformt, dass sie die Erschaffung des Lebens als freudvollen Vorgang empfinden sollten. Der launenhafte Okeus hatte sich, wie immer und überall, eingemischt und dafür gesorgt, dass Schmerzen und Pein das Geschehen begleiteten. Aber meistens vergaß eine Frau die Schmerzen nur wenige Tage nach der Entbindung.
    »Du hast immer gern einen guten Witz gemacht, Okeus, stimmt's?«, fragte sie und hob die Augen zum sturmverheißenden Himmel. Dunkle Wolken trieben über das tiefe Blau.
    Nun, dies alles war nun nicht mehr wichtig. Nach dreiundfünfzig Blätterblüten und drei Ehemännern im Haus der Toten war ihre Zeit für das Liebesspiel vorbei, gleichgültig, ob es dabei ums Vergnügen oder um Berechnung ging. Ihre Brüste lagen flach auf dem Oberkörper und erreichten den Nabel. Ihre Haut, jahrelang mit Blutkrautwurzel bemalt, hatte sich dunkelrot gefärbt und war so rissig wie eine Zedernborke. Ihre einst scharfen Augen konnten in der Ferne nichts mehr deutlich erkennen. Ihre Nase, spotteten manche, war schrumpeliger als der trockenste Pilz.
    Jagender Falke schüttelte den Kopf und rieb sich mit einer Hand die wunde Hüfte. Beim Gehen, und sei es nur auf kurzen Strecken, schoss die Qual von den Knöcheln über die Knie in die Hüften und verschmolz mit dem brennenden Schmerz im Rücken. Sie benutzte zum Gehen einen Stock aus Sassafrasholz, den sie leicht heben konnte und dessen angenehmer Geruch sie erfreute; zum Glück war ihre Nase noch ganz in Ordnung.
    Sie hob die Hand und zog an dem grau melierten Zopf, der ihr über die Schulter hing. Einst hatte sie schwarze Haare gehabt, so glänzend wie die von Rote Schlinge.
    Rote Schlinge. Sie zuckte kummervoll zusammen, und in ihrem Herzen fühlte sie einen dumpfen Schmerz. Sie hatte das Mädchen immer gern gehabt, so jung, wie es war, mit seinen wachen Augen, stets zu Streichen aufgelegt. Als Weroansqua war sie zwar gezwungen, unangenehme, ja abstoßende Dinge zu tun. Aber vor allem war sie für den Grünstein-Clan verantwortlich. Für das Bündnis mit Kupferdonner hatte sie alles auf eine Karte gesetzt - einschließlich Rote Schlinge. Außerdem hatte sie in den vielen Jahren zahllose hübsche Kinder gesehen und dann erleben müssen, wie aus ihnen stumpfäugige Erwachsene wurden, von der Mühsal und den Sorgen des Lebens zermürbt.
    Leben bedeutete Qual, und die Qual lag schon verborgen hinter jedem Lächeln, hinter jedem Seufzen über die Schönheit eines neuen Tages, hinter jedem frohlockenden Kichern eines kleinen Kindes.
    Auch dafür hatte Okeus gesorgt, gleich nach der Schöpfung.
    Geduckt betrat sie das Haus der Toten. Das immer währende Feuer war zu einem Glutbett heruntergebrannt. Der einzige zusätzliche Lichtschein kam von den fahlen Strahlen, die durch den Einlass und das Abzugsloch im Dach einfielen. Ihre Augen brauchten einige Zeit, um sich an das Dunkel im Vorraum zu gewöhnen. Dies war der

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