Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels
Wasserschlange nach Süden und dem von Steinfrosch, aus dem Stammesverband der Conoy, nach Norden. Wasserschlange und Steinfrosch hassten Kupferdonner gleichermaßen, doch sie konnten die generationenalte Feindschaft zwischen ihren Clans nicht überwinden um sich zu verbünden und den Emporkömmling zwischen sich zu vernichten.
Muschelkamm betrachtete Kupferdonner. Sie starrten sich gegenseitig gebannt an, abwägend, forschend. Seine dunklen Augäpfel schienen zu fragen: Bist du es wert?
Sie knirschte mit den Zähnen. Sie hatte das Schlimmste durchgemacht und überstanden, und jetzt konnte sie alles ertragen. Ihr Herz wurde ebenso eiskalt und berechnend wie seines. Wenn er dies ahnte, so ließ er es sich nicht anmerken.
Nach einer Weile fragte er: »Tut es dir Leid, deine Tochter zu verlieren?«
Sie ließ ihr Gesicht zu einer Maske erstarren, die nichts verriet. »Wir alle tragen Verantwortung, Großer Tayac. Gegenüber unseren Familien, unseren Ahnen und unserem Clan. Ich habe meine Pflicht getan. Rote Schlinge … nun, sie hat eine Pflicht, nämlich deine Frau zu werden.«
»Ich habe nicht gefragt, ob deine Tochter ihre Pflicht tun wird. Ich habe gefragt, ob du traurig bist, weil du sie verlierst.«
»Ja«, antwortete sie heiser; die Kehle war ihr wie zugeschnürt. Sie holte Luft und zwang sich zu sagen: »Bei der Geburt einer Tochter weiß jede Mutter, dass sie ihre Tochter nur für eine begrenzte Zeit für sich hat. So wie ein Vater seinen Sohn.« »Gestern Abend war da ein junger Mann. Wer war das?«
Sie rang um Fassung. »Wer? Ich weiß nicht, wen du meinst.«
»Dieser junge Mann, der dir so missfallen hat. Wilder Fuchs. Ja, so hieß er.«
Muschelkamm machte sich an dem Topf über dem Feuer zu schaffen. »Rote Schlinge geht heute mit dir fort, Großer Tayac. Sie ist eine Frau, die im Begriff ist, deine Gattin zu werden. Sie … sie ist nicht als erwachsene Frau vom Himmel gefallen. Noch vor acht Tagen war sie ein Mädchen. Du selbst warst einmal ein Junge. Hast du nicht oft auf viele Mädchen geschaut, von denen du wusstest, dass du sie nie heiraten würdest?«
Er nickte und sah dem Rauch nach, der zu dem verrußten Rindendach emporstieg; er blieb eine Weile vor dem rechteckigen Abzug stehen, bevor er sich hinausringelte.
»Du hast eine Abneigung gegen Wilder Fuchs?«
»Was soll das heißen? Wie kommst du darauf?«
»Ich habe sie in deinem Gesicht gesehen. Die Angst in deinen Augen. Wenn du ihn angeschaut hast, schienst du verzweifelt.«
»Du irrst dich. Wilder Fuchs und Rote Schlinge waren als Kinder Freunde. Mehr nicht.« Mit gespielter Gleichgültigkeit zog Muschelkamm den Stapel hölzerner Platten unter der Schlafbank hervor. Wie sie erwartet hatte, ruhte sein Blick jetzt auf der sanften Rundung ihrer Hüften und auf den vollen Brüsten, die sich unter dem Stoff ihres Gewandes abzeichneten. Vielleicht war jeder Mann eben einfach nur ein Mann, selbst wenn er der Große Tayac war. Die Schlange in ihr war unruhig.
»Sehen wir einmal von dem Mädchen ab«, sagte Kupferdonner. »Was hältst du von diesem Abkommen zwischen deinem Clan und meinem?«
Muschelkamm wog ihre Worte sorgfältig ab. Fallen drohten auf allen Seiten, und sie durfte nicht den kleinsten Fehltritt tun. »Wir begrüßen diese Heirat natürlich. Der Grünstein-Clan gewinnt ebenso wie du , Großer Tayac. Deine Jagdgründe liegen flussaufwärts und du kontrollierst den Handelsweg ins Landesinnere. In deiner Nähe finden wir die Rohstoffe für unsere Werkzeuge. Die Jagd ist besser in deinen bewaldeten Hügeln. Deine Maisernten sind sicherer als unsere. Andererseits gewinnst du Zugang zu unseren Muschelbetten, unseren Fischgründen und dem Reichtum unseres fruchtbaren Landes.« Sie zwang sich zu lächeln. »Sicher würde meine Tochter nie zulassen, dass ihr Ehemann verhungert.«
»Das mag sein, aber der Mamanatowick, der große Häuptling Wasserschlange, wird nicht sehr glücklich darüber sein, dass Kupferdonner jetzt einen Stützpunkt in der Nähe seines Landes hat.
Möglicherweise bekommst du Besuch von seinen Kriegern.«
»Der Grünstein-Clan ist nicht an Wasserschlanges Kümmernissen interessiert. Er und seine Weroanzi, seine Unterhäuptlinge, haben sich schon einmal in unsere Angelegenheiten einmischen wollen … und das haben sie bitter bereut.« Muschelkamm machte eine Pause. »Großer Tayac, all dies haben wir bedacht, bevor wir in die Heirat einwilligten. Wir waten nicht gedankenlos in seichten Wassern umher, wie du
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