Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels
nicht nur ein Verbündeter, sondern sein Rang in den Dörfern entspräche nun beinahe dem der Weroansqua. Schließlich hätte er ein Problem gelöst, das um ein Haar Unheil und Verderben gebracht hätte.« Jaguar lachte in sich hinein. »Ich glaube, dass Kupferdonner die Situation von Flache Perle besser kennt als du selbst, Häuptling. Du hast eine hinterlistige Spinne in deiner Mitte, die in deine tiefsten Geheimnisse eingeweiht ist.«
»Und woher kennt er die?«
»Von Weidenstumpf. Kupferdonner wittert das schwächste Glied in der Kette, und dort setzt er an.
Weidenstumpf ist nicht nur verstimmt, sondern sehr verärgert.«
»Einen Augenblick«, unterbrach Sonnenmuschel das Gespräch. »Weidenstumpf wollte Rote Schlinge haben. Er liebte sie und hasste Wilder Fuchs, weil er sich mit ihr paarte. Warum sollte er Kupferdonner in irgendeiner Weise behilflich sein? Dem war schließlich gerade die Frau versprochen worden, die er selbst liebte!«
»Ich würde Kupferdonner sogar zutrauen, dass er Weidenstumpf am Ende versprach, er könne Rote Schlinge haben.« Jaguar lächelte, und seine Augen funkelten listig. »Ihr wisst, dass er den jungen Leuten erzählte, es würde ein neues Land entstehen, wenn er erst den Mamanatowick zurückgetrieben hätte. Es wäre sogar denkbar - und ich betone, es ist eine vage Möglichkeit -, dass Kupferdonner, als er Weidenstumpfs Unterstützung suchte, dem jungen Jäger vorgaukelte, er könne unter dem Großen Tayac vielleicht ein Weroanzi werden. Ein Oberhäuptling gibt einem Weroanzi oft die eigene Frau zur Heirat. Dies gilt als Treuebeweis und dient dazu, ihn fester an sich zu binden. Sonnenmuschel, du kennst Weidenstumpf am besten. Was hätte er wohl zur Aussicht gesagt, ein Weroanzi zu werden und außerdem Rote Schlinge zu bekommen? Zwei Fliegen mit einer Klappe?«
Sonnenmuschel verzog das Gesicht. »Er hätte eine solche Gelegenheit sicher nicht ungenutzt vorüberziehen lassen. Aber hätte Kupferdonner ihm so etwas wirklich versprechen können? Und das Bündnis mit dem Grünstein-Clan?«
»Ach, das Versprechen wäre natürlich nicht sofort erfüllt worden.« Jaguar starrte düster auf die erloschene Pfeife. »Zunächst einmal hätte Kupferdonner selbst Kinder von ihr haben wollen. Dann hätte er mindestens eine weitere Grünstein-Frau genommen und wahrscheinlich noch je eine vom Sternkrabben- und vom Blutkraut-Clan, um seine Macht in den Unabhängigen Dörfern zu festigen.«
»Wenn er Weidenstumpf überhaupt so lange bei sich behalten hätte.« Neuntöter schüttelte voller Abscheu den Kopf. »Das hinge doch sicher davon ab, wie nützlich er ihm langfristig gewesen wäre.«
»Das ist sicher richtig.«
Neuntöter seufzte. »Damit begrabe ich jedenfalls meine Idee, dass Weidenstumpf der Kerl gewesen sein könnte, der Rote Schlinge und Springendes Kitz in jener Nacht belauschte.«
Mit einem Zweig kratzte Jaguar die Asche aus der Pfeife. »Dies alles erklärt aber immerhin, was Weidenstumpf und Kupferdonner taten, nachdem Weißer Otter sie nachts gesehen hatte, als sie das Dorf verließen. In all den Tagen des Feierns und Tanzens hielt Kupferdonner sicher nach einem Einzelgänger Ausschau, nach einem, der offensichtlich mit seinem Leben unzufrieden war. Eurem Großer Tayac, dem entgeht so leicht nichts. Er ist ein ausgezeichneter Menschenkenner. Ich vermute, er durchschaut Weidenstumpf bis auf den Grund seiner Seele, sah bestimmt auch das glühende Verlangen in seinen Augen, als der Jäger Rote Schlinge beim Tanzen beobachtete.«
»Was macht Weidenstumpf verdächtig?«, fragte Sonnenmuschel plötzlich.
Jaguar hob eine Schulter. »Seine Haltung, als ich das erste Mal mit ihm sprach, und die Tatsache, dass er das Haar so trägt wie Kupferdonner. Er ist vom Großen Tayac so geblendet, dass er sich selbst kaum sehen kann.« Jaguar zögerte. »Und er weiß oder ahnt zumindest etwas sehr Schlimmes, das den Grünstein-Clan betrifft.« Er runzelte die Stirn. »Gibt es etwas, das ihr mir sagen wollt, bevor ich es selbst herausfinde?«
Neuntöter war verdutzt. »Es gibt die üblichen Familienskandale, aber nichts Besonderes. Manchmal verprügelt ein Mann seine Frau wegen eines kleinen Seitensprungs. Da war einmal ein kleiner Dieb, den ich auf Befehlt der Weroansqua hinrichten ließ, aber das ist schon einige Zeit her. Wir brachen ihm die Beine und warfen ihn auf den Scheiterhaufen. Vor einigen Monden schnüffelte der alte Grünstab an seiner ältesten Tochter herum, und wir brachten ihn
Weitere Kostenlose Bücher