Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels
Behauptungen bezüglich seiner Clan-Zugehörigkeit nicht zu erklären. In all den Jahren, in denen Entenmuschel die Salzwasserbucht bereist hatte, war es keinem Clan je eingefallen, ihn als Mitglied anzuerkennen, und wie man hörte, hatte auch niemand von denen, die nach seiner Herkunft forschten, jemanden getroffen, der seine Familie gekannt hätte.
Maisjäger starrte mit grimmigem Ausdruck nachdenklich auf Entenmuschel, das eckige Kinn auf die fleischige Handfläche gestützt. Der Weroanzi ergraute allmählich und um den Bauch herum war er weich und füllig geworden. Alte Tätowierungen waren auf seiner dunklen Haut kaum mehr zu erkennen. Wasserschlange hatte seinem jüngeren Bruder Maisjäger schon vor zwanzig Jahren die Herrschaft über Weißer Pfahl anvertraut. Seine Ernennung durch die Krieger des Mamanatowick war unter Zwang durchgesetzt worden, aber im Laufe der Zeit hatte sich Maisjäger als verlässlicher, wenn auch fantasieloser Mann erwiesen. Seine Pflicht gegenüber seinem älteren Bruder bestand im Wesentlichen darin, die nördlichen Grenzen zu festigen und zu sichern und ein wachsames Auge auf Flache Perle und dessen Verbündete vom Grünstein-Clan zu haben.
Es ließ sich kaum leugnen, dass Wasserschlange sich die Territorien unter der Herrschaft der Unabhängigen Dörfer aneignen wollte. Im Laufe der Jahre hatte er verschiedentlich Expeditionen ausgeschickt, um Flache Perle, Drei Myrten und die Austerndörfer unter seinen Einfluss zu bringen, sei es durch Einschüchterung, sei es durch Gewalt. Doch war jeder Versuch von den Grünstein-Kriegern und ihren Verbündeten zurückgeschlagen worden. Amselflügel verdankte seine Beförderung zum Kriegshäuptling einem solchen Überfall, bei dem sein Vorgänger, Netztaucher, im Kampf mit Neuntöter umgekommen war.
»Entenmuschel hat Neuigkeiten gebracht«, hatte ihm Maisjäger erklärt. »Jagender Falke vom Grünstein-Clan hat Kupferdonner ihre Enkeltochter versprochen. Das Mädchen ist heute Frau geworden. Nimm Krieger und geh nach Norden! Hör dich um, ob der Händler die Wahrheit sagt.«
Entgeistert hatte Amselflügel gefragt: »Wann, mein Häuptling?«
»Jetzt. Heute Nacht. Lass Jagender Falke wissen, dass Wasserschlange diese Heirat missfällt.«
»Heute Nacht? Aber ich brauche ein paar Tage, um meine Krieger zu sammeln. Einige sind auf der Jagd, andere beim Fischen …«
»Heute Nacht, Kriegshäuptling.«
»Und was soll ich tun? Soll ich ihr einfach sagen, sie dürfe ihre Enkeltochter nicht verheiraten?«
»Das überlass ich dir. Du bist der Kriegshäuptling. Erledige das auf deine Weise. Aber diese Heirat darf nicht stattfinden.«
Amselflügel hatte schließlich zweimal zehn Krieger zusammengeholt. Was er mit einer solch kleinen Streitmacht ausrichten konnte, würde sich erweisen. Erst einmal jedenfalls würde er mit seinen Männern unerwartet in Flache Perle erscheinen, als Jäger getarnt, die zufällig in der Gegend waren.
Ein friedlicher Besuch, das war alles.
Jagender Falke war schlau. Die alte Frau hatte nicht ohne Grund ihre Position und ihre Unabhängigkeit all die Jahre bewahren können. Es würde kaum gelingen, sie zu täuschen. Amselflügel würde besonders geschickt vorgehen müssen. Jagender Falke durfte die Warnung nicht als offene Feindseligkeit verstehen, aber sie musste doch so deutlich sein, dass sie von der unseligen Heirat absah.
»Wir sind bald da«, sagte Amselflügel nun zu seinen Kriegern. »Seid wachsam!«
Nicht das kleinste Bruchholz lag auf dem Waldboden, und einige Baumstümpfe waren mit Steinäxten zerhackt worden. Der Boden unter den Nussbäumen war auf der Suche nach Hickory-, Pinaquin- und Walnüssen von fleißigen Sammlern festgetreten worden.
So weit, so gut. Mit etwas Glück konnte er mit seinen Kriegern bis zu den Palisaden gelangen und einen Gruß ins Dorf rufen. Mit noch mehr Glück würde ihn Jagender Falke höflich empfangen und festlich bewirten. Dann könnte er seine Botschaft überbringen und schon bei Einbruch der Nacht nach Süden eilen.
In dem Augenblick, als er diese winzige Chance bedachte, trat ein Mann hinter einem dicken Baum hervor und verstellte ihm den Weg. Amselflügel hob die Hand und gebot seinen Kriegern Halt. Er erschrak, als er die stämmige Gestalt mit den krummen Beinen und den muskulösen Armen erkannte.
Der berühmte Bogen aus Eschenholz war gespannt, und Neuntöter hatte einen Pfeil an der Sehne.
»Ich grüße dich, Häuptling,« rief Neuntöter. »Was schleichst du im Land
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