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Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels

Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels

Titel: Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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leer, als sie sich daran erinnerte, wie verzweifelt sie Rote Schlinge beschworen hatte, nicht fortzulaufen. Verantwortung und Pflicht gegenüber dem Clan seien viel zu groß. Sie hatten sich gestritten, sogar heftig gestritten.
    Ich hätte sie aufhalten können.
    Springendes Kitz schloss die Augen und sah wieder den Triumph auf dem Gesicht von Rote Schlinge.
    Wie dumm ihre Cousine doch war! Der Kriegshäuptling würde sie jagen, erwischen und entehrt ins Dorf zurückbringen.
    Sie seufzte und legte das Kinn auf die angezogenen Knie. Es war gespenstisch still geworden im Wald.
    Plötzlich spürte sie ein eigenartiges Prickeln. Sie runzelte die Stirn und entschloss sich, nun endlich den Weg zurück ins Dorf einzuschlagen. Doch als sie auf den Boden springen wollte, um das Holz aufzusammeln, nahm sie aus dem Augenwinkel eine schwache Bewegung wahr. Sie wandte vorsichtig den Kopf, erschrocken beobachtete sie, wie zweimal zehn Krieger am Hang unter ihr vorbeimarschieren, die Bogen schussbereit mit eingelegten Pfeilen. Ganz leise knisterten die Mokassins auf dem feuchten Laub. Wachsame dunkle Augen funkelten, als sie den Wald ringsum prüfend betrachteten. Jedes Gesicht war rot und schwarz bemalt, in den Farben von Krieg und Tod.
    Springendes Kitz erkannte sie an ihrer Haartracht: Die rechte Seite des Kopfes war kahl geschoren, eine lange geflochtene Mähne fiel von der Scheitellocke über den Rücken, und ein Kriegstalisman war in den festen Haarknoten auf der linken Seite gesteckt. Dies waren Wasserschlanges Krieger.
    Aber was taten sie hier, warum schlichen sie durch das Gebiet von Flache Perle?
    Ihre Kehle war wie zugeschnürt, und sie schluckte heftig. Ihr Herz raste, als wollte es zerspringen.
    Jeder Nerv schrie ihr zu, sie solle rennen, aber der lähmende Schrecken hielt sie an der alten Eiche fest.
    Es schien, als ob einer der Krieger genau in ihre Richtung blickte. Die Welt verschwamm vor ihren Augen, und sie schien zu zerfließen vor lauter Angst.
    In diesem Augenblick aber schoss ein Kaninchen aus den dichten Büschen unter ihr hervor, durch die Nähe der Männer erschreckt, und sauste davon. Der flauschige weiße Schwanz wippte bei jedem Sprung auf und ab. Abgelenkt blickte der Krieger dem Kaninchen nach und setzte seinen Weg fort.
    Springendes Kitz rang nach Luft, als die Krieger endlich vorübergegangen und aus ihrem Blickfeld verschwunden waren, und rutschte von der Eiche auf den Boden. Sie presste die Knie fest zusammen, sonst hätten ihre Beine nachgegeben.
    »Ich muss die anderen sofort warnen!«
    Springendes Kitz hatte sich ihren Namen verdient. Sie war das schnellste Mädchen von Flache Perle.
    Jetzt wurde sie wieder ihrem Ruf gerecht und lief mit fliegenden Haaren in Windeseile zum Dorf zurück.
    Neuntöter jonglierte mit seinen Gedanken wie ein Zauberer mit grünen Walnüssen. Dank dieser Fähigkeit hatte er mehr als einen Kriegszug vor einem katastrophalen Ausgang bewahrt. Er nahm sich ein Problem vor, dachte kurz darüber nach und ließ es dann fallen, während er mit einem anderen Gedanken spielte. Schließlich nahm er den ersten wieder in den ununterbrochenen Fluss seiner Gedanken auf.
    Zahlreiche Ideen schössen ihm durch den Kopf, als er auf dem Hügelpfad vier Krieger anführte. Das Leben in Flache Perle erschien ihm wie ein Tanz auf Spinnweben. Man musste die Füße schnell bewegen, sonst klebten sie fest. Das Gleichgewicht zu finden, war, vorsichtig ausgedrückt, eine schwierige Angelegenheit. Und selbst ein Rundumschlag verhinderte oft nicht, dass man einer Spinne, die irgendwo in einer Ecke lauerte, zum Opfer fiel.
    Zum Glück für den Flachperlen- und den Grünstein-Clan war Jagender Falke stets eine flinke Tänzerin gewesen. Ihrem scharfen Verstand war es zu verdanken, dass dem Land zwischen der Austernbucht und dem Entenbach die Selbstständigkeit erhalten blieb. Dass die Unabhängigen Dörfer ihre Ziele oft durch Manipulation, kämpferischen Mut und Einschüchterung erreichten, interessierte niemanden; am Ende zählte nur das Überleben.
    Aber nun lagen die Unabhängigen Dörfer wie eine ungeknackte Nuss zwischen drei Mühlsteinen: Im Süden dachte der Mamanatowick Wasserschlange unablässig darüber nach, wie er die Unabhängigen Dörfer in seine Gewalt bekommen könnte, während im Norden, auf der anderen Seite des Fischflusses, der Tayac Steinfrosch die Conoy-Dörfer, die bislang nur in einer losen Koalition miteinander verbunden gewesen waren, zu einem festen, starken Dorfverbund

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