Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels

Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels

Titel: Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
Vom Netzwerk:
befragte, schien sie nicht klüger als er, aber, Okeus sei's geklagt, sie machte immer den Eindruck, als ob sie es besser wüsste.
    Einstmals schmalhüftig war sie jetzt in die Breite gegangen, und nach der Geburt ihrer fünf Kinder waren ihre Brüste schlaff geworden. Sie hatte sich gerade von ihrem letzten Gemahl getrennt, einem Mann von der Austernbucht, und nun schwor sie, nie wieder zu heiraten.
    Neuntöter spürte plötzlich, dass Rosenknospe und die anderen Mitglieder der Familie ihn beunruhigt ansahen. Anfangs hatte er die unverblümten Fragen lässig abgetan. Jetzt saß der Nächste in respektvollem Abstand, als ob diese Entfernung ihm einen Ausweg aus einer bedrohlichen Situation bieten könnte.
    Funken sprühend brannte das feuchte Holz trotz des eisigen Nieselregens außerhalb der Langhauswände, aber seine Wärme war so unergiebig wie die Möglichkeiten, die die Zukunft bot. Wie sollte er Wilder Fuchs aus Drei Myrten entfuhren? Er würde gegen alte Freunde kämpfen, gegen Verwandte und Menschen, die er gern hatte und achtete.
    Sowie der erste Pfeil abgeschossen war, wäre der Schaden, den das Bündnis nehmen würde, angerichtet und nicht mehr zu reparieren, wie immer der Kampf ausging. Generationenaltes Vertrauen wäre unwiederbringlich dahin, abgeschnitten wie von einem scharfen Muschelmesser.
    Neuntöter drehte seinen Becher in Gedanken versunken in den Händen, und vor seinem geistigen Auge erschienen die Freunde aus Drei Myrten und Bilder von gemeinsam unternommenen Kriegszügen, von Kämpfen, die man gemeinsam bestanden hatte, und von der freudig genossenen Kameradschaft. Mit jeder neuen Erinnerung wuchs das Gefühl hilfloser Leere.
    Der Vorhang vor der Tür wurde zurückgezogen. Jagender Falke humpelte auf ihren Sassafrasstock gestützt herein. Die alte Frau richtete sich auf, zuckte vor Schmerz zusammen und trat mühsam näher.
    Alle setzten sich in gespannter Haltung auf, die Fäuste in die Kittel gekrallt, und rutschten unruhig und um sich blickend hin und her.
    »Fürchterliche Nacht da draußen«, sagte Jagender Falke zur Begrüßung. »Gefrierender Regen.
    Widerliches Zeug. Da sollte man denken, die nähmen Rücksicht auf alte Frauen wie mich, die einen eisigen Guss nicht mehr vertragen. Wenn ich stürze, bricht mir jeder Knochen im Leib.«
    Rosenknospe stand zögernd auf. »Ich grüße dich, Weroansqua. Können wir dir etwas anbieten? Einen Becher Tee vielleicht?«
    »Ja, das wäre schön.« Jagender Falke blieb vor Neuntöter stehen. Der Häuptling erhob sich und nickte respektvoll.
    Es war, als wäre Okeus selbst eingetreten, so wie die anderen herumzappelten, um Gelassenheit vorzutäuschen.
    Jagender Falke tat, als bemerke sie nichts.
    »Setz dich doch«, forderte Neuntöter sie auf.
    Jagender Falke ließ sich mit knirschenden Gelenken nieder und seufzte.
    Rosenknospe schien verwirrt; den Keramikbecher, mit dem sie immer warmen Tee aus dem Topf über dem Feuer schöpfte, hätte sie beinahe fallen lassen. Ängstlich reichte sie ihn Jagender Falke.
    Jagender Falke nippte daran und nickte höflich. »Vielen Dank.« Sie hob eine Braue. »Häuptling, ich würde mich gern mit dir unterhalten.«
    »Wenn ihr uns entschuldigen wollt.« Rosenknospe streifte die Familie mit einem Blick. »Ich glaube, wir nehmen die Gelegenheit wahr und besuchen Cousine Gelbes Netz.« Wie eine Aufgeschreckte Wachtelschar trippelten die Kinder zur Tür und hinaus in die stürmische Nacht.
    Ihre eigenen Sorgen hielten Jagender Falke davon ab, von dem fluchtartigen Rückzug Notiz zu nehmen. In dem Schweigen, das darauf folgte, wandte sich die alte Frau nachdenklich dem Feuer zu; die aufgerissenen braunen Lippen kräuselten sich, als sie zusah, wie die Flammen langsam das feuchte Holz besiegten.
    Endlich fragte Neuntöter: »Worüber willst du mit mir sprechen, Weroansqua?«
    »So förmlich? ›Weroansqua‹? Wo wir beide doch allein sind?«
    Neuntöter zuckte die Achseln und musterte sie wachsam.
    Sie nahm einen Schluck Tee und wischte sich mit einer Ecke ihres weichen hirschledernen Überwurfs über die Lippen. »Ich will hören, was du dir überlegt hast, Häuptling. Wenn wir beschließen, nach Drei Myrten zu ziehen, um uns Wilder Fuchs zu holen - welche Aussichten haben wir?«
    Neuntöter rieb sich das Genick. Die Muskeln waren hart vor lauter Anspannung. »Welche Aussichten haben wir? Wenn wir nach dem Jungen suchen, wird Drei Myrten kämpfen, um ihn zu schützen. Das hat Schwarzer Dorn klargemacht.«
    »Kannst du

Weitere Kostenlose Bücher