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Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Titel: Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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wartet.
    Als sein Geisterhelfer auf ihn zugekommen war, hatte sich Aschenmond hartnäckig geweigert, ihm das zu glauben. Von diesem Moment an hatte sie Sperling behandelt wie einen Fremden. Er hatte sie dafür gehasst… eine Zeit lang.
    Aber er war darüber hinweggekommen.
    Unwillkürlich griff er an die Muschelperlenkette, die er um den Hals trug. Im Lauf der vergangenen siebenunddreißig Winter hatte er sie zehnmal neu geknüpft. Damals, als er zu seinem ersten Kriegszug aufbrechen sollte, war sein Herz von Angst und einem Sehnen erfüllt gewesen, das er nicht erklären konnte. Er war zu Staubmond gegangen, um ihr Lebewohl zu sagen. Sie hatte ihn umarmt und ihm gesagt, wie stolz sie auf ihn sei und welch großes Vertrauen sie in seine Fähigkeiten als Krieger setze. In dem Augenblick, als sie ihm die Kette umgelegt hatte, war er sich deutlich der Kraft bewusst geworden, die plötzlich durch seine Adern strömte. Und seither hatte er diese Kette niemals mehr aus den Augen gelassen.
    Sehnsucht nagte an den Wänden seines leeren Magens. Er fing an zu laufen, wollte nur heim zu ihr und zu seinen Enkelkindern. Am meisten brannte er darauf, Narzisse zu sehen, seine Tochter. Sperling mochte vielleicht nicht fähig sein, etwas richtig zu machen, aber er konnte wenigstens ihr helfen und seinen Enkelkindern.
    Er näherte sich der Hügelkuppe, von wo aus man das Erdendonnerdorf überblicken konnte, und verlangsamte seinen Schritt. Die Krähen kreisten jetzt. Hoch über seinem Kopf segelten sie durch die Lüfte, tauchten spielerisch kopfüber in die Tiefe und krächzten sich gegenseitig zu. Sperling zwang seine müden Füße, ihn über den Hügelkamm zu tragen.
    Merkwürdig. Er müsste bereits Stimmen hören, den Rauch von den feuern der Dorfbewohner aufsteigen sehen. Die Hunde bellten meistens…
    Sperling folgte dem Weg über die Hügelkuppe und blieb wie angewurzelt stehen. Die Gestänge aus jungen Weidenruten, die den rahmen der Hütten bildeten, standen nackt da; die Planen aus Rinde waren sorgfältig zusammengerollt und weggeschafft worden. Nicht einmal der dünnste Rauchfaden stieg von den kalten Feuerstellen auf. Das Erdendonnerdorf war schon seit tagen weitergezogen. Ärger mischte sich in seine Verzweiflung. Ihm wurde übel.
    »Oh, Staubwolke«, zischte er durch zusammengebissene Zähne.
    Ihren Spuren zu folgen und sie einzuholen, konnte Tage dauern.
    Seine zitternden Knie versagten ihm den Dienst. Er fiel in sich zusammen, stürzte wie ein gefällter Baum auf den staubigen Weg. Der schwere Duft feuchter Erde drang ihm in die Nase. Anstatt sich aufzurappeln und seinem Dorf zu folgen, rollte er sich auf die Seite und versuchte zu schlafen.
    Der Traum rollt wie eine Gewitterwolke über den See.
    Mir ist kalt. Eiskalt. Laufen…
    Fahles Licht fällt durch das blattlose Geäst und betupft das strahlende Gesicht des Jungen. Er tanzt zwischen den eingefallenen Haufen verbrannter Rinde umher, den verkohlten Dachbalken, den Skeletten von Steinmauern - alles, was noch vom Buntfelsendorf übrig geblieben ist. Sein Lachen klingt wie das muntere Zwitschern von Finken. Süß. Fröhlich.
    Er klettert über einen schwelenden Dachbalken, dreht sich auf einem Bein im Kreis herum und hüpft auf den Boden, wo er sanft und leise landet wie eine Nebelschwade.
    Kein flüchtiges Aschestäubchen fliegt unter seinen Mokassins auf. Die Rauchfäden, die aus dem schwelenden Balken in die Höhe steigen, bewegen sich nicht einmal, als er an ihnen vorbeitanzt.
    Alles ist still.
    Niemand weiß, dass er hier ist.
    Außer dir. Und mir.
    Und dem Tod, der uns aus Aschegeschwärzten Augen beobachtet.
    Die Muschelperlen auf seinem Lederhemd schimmern, als er durch einen Ozean von geschundenen Leibern tollt. Manchen der Toten ragt ein Pfeil senkrecht aus der Brust. Andere wiederum haben eingeschlagene Schädel.
    Der Junge breitet die Arme unter dem Sonnengetränkten Himmel aus und ruft:
    »Wacht auf, meine Schatten! Schnell! Großvater Tagbringers Kinder jagen euch. Wenn sie euch kriegen, verliere ich die aussehenden Augen, die du in mir geöffnet hast.«
    Der Junge dreht sich um, starrt. Seine Augen haben sich verändert. Sie sind nicht länger groß und dunkel; sie leuchten wie glühende Kohlen. Goldgelb. Leidenschaftlich. Erfüllt seine Lungen mit der rauchgeschwängerten Luft und schreit: »Habt ihr keine Ohren? Schnell, beeilt euch! Ihr werdet gejagt!«
    Der Junge wirbelt herum, lacht, die Asche des verbrannten Dorfes wirbelt auf, wird schwärzer,

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