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Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Titel: Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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gesetzt, um das Falschgesicht-Kind zu rauben und es wohlbehalten in unser Dorf zu bringen. Glaubst du, Moosschnabel oder Schädelkappe würde es freuen, dass wir uns darüber streiten, ob wir das Kind am Leben lassen sollen oder nicht? Lasst uns offen sprechen. Allein darum geht unsere Debatte. Forscht in euren Seelen. Der Wanderer-Klan hat bei diesem Überfall viele wertvolle Mitglieder verloren. Haben wir das Recht, auf das Opfer zu spucken, das sie für uns gebracht haben? Sie glaubten fest daran, dass uns das Falschgesicht-Kind Sicherheit und Frieden bringen wird!«
    »Aber alles, was es uns gebracht hat, ist der Tod!«, stieß Eistaucher händeringend hervor. »Töten wir ihn, bevor wir noch einen Bruder oder eine Schwester verlieren! Der Überfall war ein Fehler! Ein schrecklicher Fehler! Wir sollten uns das eingestehen und mit unserer Beratung fortfahren!«
    Blauer Rabe hob beide Hände, um dem lauten Prostestgeschrei Einhalt zu gebieten. »Wartet! Ruhe! Ich bitte euch!«
    Am Rand des Kreises, hinter Blauer Rabe, erhob sich Elchgeweih. Sie hatte sich das schulterlange Haar hinter die Ohren gesteckt und rief mit lauter Stimme: »Hört Blauer Rabe an! Was ihr hier aufführt, entspricht nicht unseren überlieferten Gebräuchen! Jeder von uns hat das Recht, seine Meinung zu äußern, und wir haben die Pflicht, ihn anzuhören!«
    Blauer Rabe drehte sich zu ihr um und warf ihr einen dankbaren Blick zu, doch das Geschrei wurde nur noch lauter.
    Zaunkönig hielt sich die Ohren zu. Die Haare des Hirschfells, das um Polterers Schultern lag, schimmerten im Schein des Feuers. Der kleine Junge bebte am ganzen Körper - ein Anblick, der Zaunkönig tief traurig machte. Sie fühlte sich so hilflos wie ein nacktes Vogeljunges, das aus dem Nest gefallen war. Polterer hatte mit ansehen müssen, wie sein Dorf niederbrannte, wie sein Volk vor seinen Augen abgeschlachtet wurde - und jetzt das. Die Leute, die ihm alles genommen hatten, beschlossen soeben, dass das Ganze ein fataler Irrtum gewesen wäre.
    Er muss uns aus tiefster Seele hassen.
    »Warum noch mehr Zeit verschwenden!«, brüllte Eisvogel. »Ich stimme für den Tod! Wer schließt sich mir an?«
    Üblicherweise dauerten solche Beratungen oft bis weit nach Mitternacht, doch Eisvogels spontan vorgebrachte Frage musste die Versammelten überrumpelt haben, denn plötzlich trat Ruhe ein. Nur hier und da war noch leises Wispern zu hören.
    Blauer Rabe meldete sich wieder zu Wort. »Es gibt noch viele andere, die wir anhören müssen, Eisvogel. Wo ist Schädelkappes Frau? Wo sind die Männer, die an seiner Seite gekämpft haben? Vielleicht konnten sie ja eine Verletzung beobachten, die an den Leichen nicht sichtbar ist. Ein harter Schlag in die Leber? Oder ein …«
    »Keiner der Männer hat irgendwelche Schläge abbekommen«, dröhnte die tiefe Stimme von Springender Dachs durch die Nacht.
    Alle Köpfe drehten sich zu ihm um, und es herrschte wieder gespanntes Schweigen. Blauer Rabe machte einen Schritt auf Springender Dachs zu. »Woher willst du das wissen, Vetter? Hast du jeden Moment der Schlacht mit eigenen Augen verfolgt?«
    »Und hast du etwa die Stirn zu behaupten, ich hätte verletzte Männer ausgewählt, um die heilige Pflicht zu erfüllen, das Falschgesicht-Kind in unser Dorf heimzuführen?«
    »Verzeih, Vetter, aber in der Hitze des Gefechts ist es oft nicht leicht…«
    »Diese Männer standen nie in der Hitze des Gefechts! Ich befahl ihnen, mit mir zusammen das Haus des Kindes zu überfallen. Und sobald ich ihnen das Kind in den Arm gelegt hatte, verließen sie das Dorf.«
    Blauer Rabe stand bewegungslos da, doch der Ausdruck seines Gesichts besagte ganz deutlich, dass er den Worten seines Vetters keinen Glauben schenkte. »Willst du damit sagen, dass du deine zwei besten Krieger nicht in die Schlacht geschickt hast? Jeder aus deiner Schar hätte auf den Jungen aufpassen können, bis der Kampf zu Ende war.«
    Springender Dachs trat von der Birke weg und senkte die geballten Fäuste. »Ich konnte nicht abschätzen, wieviel Macht er besitzt. Daher habe ich selbstredend meine besten Krieger mit der Aufgabe betraut, sich einstweilen um den Jungen zu kümmern! Stellst du etwa meine Worte in Frage, Vetter?«
    »Nein. Ich möchte einfach nur wissen …«
    »Frage meine Männer. Sie werden dir genau das gleiche sagen.«
    Zaunkönigs Blick wanderte hinüber zu den Kriegern. Die saßen da wie aus Stein gehauen und warteten mit angehaltenem Atem, ob Blauer Rabe die Stirn

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