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Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Titel: Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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wartete, bis nur noch das Knistern der Flammen die Stille erfüllte.
    »Ich bin erst nach Weißer Reihers Tod im Versammlungshaus angelangt«, begann er mit tiefer, wohlklingender Stimme. »Aber ich habe mir ihre Wunden genau angesehen, während ihre Familie den Leichnam für die Beisetzung vorbereitete. Und ich bitte jeden einzelnen von euch, das gleiche zu tun, bevor ihr heute Abend eure Stimme abgebt. Polterer, bekannt als das Falschgesicht-Kind, hat zwar mit seinem Messer auf Reiher eingestochen, doch das geschah aus der Angst und Verzweiflung eines kleinen Jungen heraus. Das Messer ist nicht in ihren Leib eingedrungen! Es ist an einer Rippe abgeprallt! Das werdet ihr selbst sehen. Eine Rippe hat den Stich aufgehalten, und daraufhin ließ der Junge das Messer fallen. Genau so hat es sich zugetragen.« Seine Hände beschrieben eine hilflose Geste. »Ich weiß nicht, warum Reihers Seelen aus ihrem Körper geflohen sind. Vielleicht aus Angst. Vielleicht hat Fallende Frau aber auch just in diesem Augenblick beschlossen, Weißer Reiher von ihrem Körper zu lösen. Reiher hat siebzig Winter gesehen. Und das ist eine sehr lange Lebensspanne.« Laute des Entsetzens und Zweifelns wurden laut und mischten sich mit dem Wehklagen der Hinterbliebenen. Die Leute drängten nach vorn und kreisten Blauer Rabe ein wie eine Horde Pumas, die eine Beute wittert.
    »Hört mich an!«, rief er. »Warum geht ihr nicht ins Versammlungshaus und nehmt selbst den Ort in Augenschein, wo sich die Tat ereignet hat. Das getrocknete Blut, das ihr auf dem Boden finden werdet, hätte nicht einmal ausgereicht, einen Hornlöffel zu füllen. Darauf gebe ich euch mein Wort!« »Und was ist mit Moosschnabel und Schädelkappe?«, brüllte jemand. »Hat Fallende Frau die auch geholt?«
    Kleiner Zaunkönig kniete sich hin, um zu sehen, wer das gesagt hatte. Der-auf-dem-Bären-reitet saß mit übergeschlagenen Beinen da und funkelte Blauer Rabe so wütend an, als wollte er ihm ins Gesicht spucken. Er besaß den muskulösen Körper eines jungen Mannes von zwanzig Wintern, ein flächiges Gesicht mit kantigem Unterkiefer und leicht schräg stehenden Augen. Auf seinem Umhang prangten die mit blauer Farbe aufgemalten Symbole von Falke und Habicht.
    »Ihr Tod«, erwiderte Blauer Rabe, »schmerzt mich tief. Sie waren uns allen gute Freunde. Aber Siebenstern hat euch bereits erklärt, dass Polterer sich außerhalb des Dorfes befand, als sie starben. Er konnte ihnen also keinen Schaden zugefügt haben!«
    »Falschgesichter und Zauberer können ihre Seelen fliegen lassen! Das ist uns doch allen bekannt!«, rief Moosschnabels Witwe, Eistaucher, dazwischen.
    Zaunkönig reckte den Hals nach ihr, konnte aber nur ihren roten Umhang ausmachen. »Tritt vor«, forderte Blauer Rabe sie freundlich auf. »Wir alle möchten deine Gedanken hören, Eistaucher.«
    Eilig drängelte sie sich durch die Menge in den Schein des Feuers. Das einst wunderschöne schulterlange Haar hatte sie zum Zeichen ihrer Trauer abgeschnitten. »Das ist doch alles Narrengeschwätz, Blauer Rabe«, erklärte sie. »Wer von uns hat nicht die Geschichten von der Macht dieses Kindes gehört?« Sie blickte mit verschwollenen Augen in die Runde der Zuhörer, die beifällig nickten. »Man sagt, dieses Kind kann Tiere allein durch die Kraft eines Wortes töten. Vielleicht hat er auf diese Weise auch meinen Gemahl umgebracht. Er - er hatte Schaum vorm Mund und…« Ihre Stimme versagte, die Worte erstarben auf ihren Lippen. »Und zerrte und riss im Todeskampf an seinem eigenen Fleisch!«
    »Das weiß ich, Eistaucher«, erwiderte Blauer Rabe gütig, »aber du musst deine Gefühle hintan stellen und den Tatsachen ins Auge blicken.«
    »Ich habe keine einzige Wunde am Körper meines Gemahls entdecken können! Ja, ein paar Kratzer am Hals und an den Armen, aber die hat er sich bestimmt in irgendeinem Gebüsch zugezogen. Ich habe seinen Körper genau untersucht!« Ihr Blick fiel auf das Falschgesicht-Kind, und sie wich unbewusst einen Schritt zurück. »Ich weiß nur, dass mein Ehemann von mir gegangen ist und dass meine Kinder ihren Vater verloren haben. Und ich sage euch, dieser böse Geist ist mächtiger als Fallende Frau! Er hat Moosschnabel umgebracht. Dessen bin ich mir sicher«
    Zustimmendes Gebrüll erhob sich, und Blauer Rabe verzog das Gesicht. Seine ausgebreiteten Arme beschrieben eine flehende Geste. »Bitte, denk noch einmal darüber nach, Eistaucher. Wir müssen abwarten, bis …«
    »Abwarten?« schrie

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