VT08 - Anti-Serum
zu beschützen. Ihr Leben war nichts gegen die vielen Leben der Männer, Frauen und Kinder im Dorf, die Nooga vertrauten.
Die Erkenntnis, dass sich der Woormreiter im Zweifel für das Dorf und gegen sie entscheiden würde, kam nicht überraschend, aber sie hob ihre Laune auch nicht gerade.
Irgendwie hatte sie insgeheim auf etwas anderes gehofft.
Vielleicht sogar etwas anderes erwartet.
Mach dich nicht lächerlich, Marie.
Aber um sich lächerlich zu machen, war gar keine Zeit. Sie mochte Nooga. Sie hatte sogar mit ihm geschlafen. Das war schlimm genug. Es war weder die richtige Zeit, noch der richtige Ort, um eine Romanze zu beginnen, deshalb sollte sie Nooga lieber heute als morgen aus ihren Gedanken streichen.
Wenn es so einfach gewesen wäre…
Vielleicht wäre es ja einfach gewesen, wenn er sie jetzt einfach fallengelassen hätte. Wenn er ihr den Rücken zugekehrt und sie nie wieder angeschaut hätte. Stattdessen rückte er sanft ihren Kragen zurecht und strich ihr abermals zärtlich über den Kopf.
»Vielleicht ist es ja wirklich nur eine normale Verletzung«, sagte er rau. »Im Kampf ist so etwas immer möglich. Trotzdem werde ich dich von jetzt an scharf im Auge behalten, hörst du?« Und fügte mit einem Lächeln hinzu: »Du bedeutest mir nämlich viel, weißt du?«
Sie lächelte zurück.
Es war wie ein Funke, der übersprang. Eine Spur des Vertrauens, das zwischen ihnen geherrscht hatte, bevor Nooga den Kratzer bemerkt hatte, kehrte zurück.
Und wer konnte schon wissen, was die Zukunft brachte?
Vielleicht geschahen ja tatsächlich noch Zeichen und Wunder und die Liebe war stärker als die zersetzende Seuche der Gruh…
***
»Kanzler…!«, hallte die schneidende Stimme durch den Saal.
»Das ist wohl nicht sein Ernst!« Das schmale Gesicht Pierre de Fouchés lief rot an. Unter seiner Uniformjacke ragte noch der Zipfel eines Nachthemds hervor. Trotz des etwas hemdsärmligen Aufzugs herrschte jedoch kein Zweifel, dass sich der Sonderbeauftragte für Militärisches von Orleans-à-l’Hauteur, der sich selbst viel lieber als Kriegsminister titulieren ließ, auch wenn ihm dieser Titel nicht zustand – bereits auf Betriebstemperatur befand.
Kanzler Goodefroot zuckte zusammen, als würde er sich unter einer Klinge hinwegducken. »Aber Herr Sonderbeauftragter, ich gebe nur wieder, was mir von dem Witveerreiter zugetragen wurde.« Er schob die Hände über seinem ausladenden Bauch zusammen. »Ich hätte natürlich auch bis morgen früh warten –«
»Was?!«, blaffte de Fouché. »Die Tatsache, dass die Prinzessin verschwunden ist, hätte ihn veranlassen sollen, mich sofort zu wecken und nicht erst eine Stunde später!«
Goodefroot holte tief Luft und versuchte den Rücken durchzudrücken. Das fiel ihm allerdings schwer, denn irgendwie hatte er in Gegenwart Pierre de Fouchés immer das Gefühl, ein Mühlstein würde auf seinen Schultern lasten.
»Verehrter Herr Sonderbeauftragter«, unternahm er einen Rechtfertigungsversuch. »Das Protokoll schreibt vor, dass die Aussagen genauestes geprüft und niedergelegt werden.« Er wedelte mit einem mehrseitigen Dokument. »Ich habe hier –«
»Qu’il aille au diable! (Zum Teufel mit ihm!)« , wetterte der Kriegsminister. »Ich will selbst mit dem Mann sprechen. Wo hält er sich auf?«
»Er wartet vor der Tür, Herr Sonderbeauftragter.«
»Dann hole er ihn herein, aber vite, vite!«
Kanzler Goodefroot presste die Lippen zusammen und gab den Wachen ein Zeichen, die Türflügel zu öffnen. Dabei versuchte er einigermaßen die Autorität eines Kanzlers Ihrer Gnaden Prinzessin Marie de Rozier auszustrahlen, was ihm allerdings nicht recht gelingen wollte.
Wieso musste er sich überhaupt mit diesem vermaledeiten de Fouché herumschlagen? Wie hatte Marie es nur zulassen können, dass er mit dieser herrsch- und tobsüchtigen Karikatur eines Militärbeauftragten allein in Orleans zurückblieb – von der anstrengenden Halbschwester Maries, dieser Antoinette, die vorübergehend hier untergebracht war, ganz zu schweigen!
Goodefroot verfolgte mit düsterer Miene, wie die Wachen den Witveerreiter hereinführten. Goodefroot hatte ihm die Hände auf den Rücken fesseln lassen, da er ihn des Verbrechens schuldig befand, die Prinzessin ohne Schutz allein bei der Andockstation zurückgelassen zu haben. Da konnte der Witveerlenker noch so sehr beteuern, dass er selbst auf Befehl der Prinzessin gehandelt hatte.
»Setze er sich!«, wies de Fouché den Witveerlenker an,
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