VT08 - Anti-Serum
Stirn entstand eine steile Falte. Er wandte sich an de Fouché. »Wir sollten Prinzessin Antoinette informieren. Ich hoffe, es wird sie nicht zu sehr schwächen. Immerhin ist es schon die zweite Schwester, die sie innerhalb kürzester Zeit vermisst.«
In Wahrheit schätzte er Prinzessin Antoinette so ein, dass höchstens ihr eigenes Verschwinden ihr Kopfzerbrechen bereiten würde. Aber es war seine Pflicht, sie über die Vorgänge in Kenntnis zu setzen. Schließlich war sie im Augenblick die einzige Verwandte des Kaisers in Orleans-à-l’Hauteur und damit automatisch befehlsbefugt.
»Nicht so schnell, Kanzler«, erwiderte de Fouché und richtete seinen stechenden Blick wieder auf den Witveerlenker.
»Ist er gelandet und hat sich versichert, dass die Prinzessin nicht auch unter den Toten ist?«
Adrien holte tief Luft. »Herr Kanzler, habt Gnade! Ihr könnt euch diesen Anblick nicht vorstellen. Da waren nicht nur die Leichen der Gardisten, sondern auch die Gruh! Sie hätten mich in Stücke gerissen, wenn ich mit dem Witveer gelandet wäre!«
»Also hat er feige die Flucht ergriffen!«, donnerte de Fouché.
»Aber nein«, verteidigte sich der Lenker. »Ich habe die Umgebung abgesucht, zwei Stunden lang! Ich dachte mir, vielleicht konnte die Prinzessin noch rechtzeitig fliehen…«
»Er hat also kostbare Zeit vergeudet, anstatt sofort Verstärkung zu holen?«
»Nein, nein! Ich habe nur an die Prinzessin gedacht.«
»Rede er keinen Unsinn!«, fuhr de Fouché auf. »Um die Umgebung abzusuchen, hätten ein paar Minuten genügt. Die Prinzessin war schließlich zu Fuß unterwegs.«
»Ich stimme mit dem Herrn Sonderbeauftragten überein«, sagte Kanzler Goodefroot nach einigem Überlegen. »Es gibt Unstimmigkeiten in seinem Bericht, Adrien – und wir müssen ihm den Vorwurf machen, dass er uns nicht früher über das Verschwinden der Prinzessin unterrichtet hat. Wir werden ihn deshalb vorläufig in Gewahrsam nehmen, bis die Umstände restlos aufgeklärt sind.«
»Aber Herr Kanzler…!«, rief der Mann aufgebracht.
Goodefroot gab den Wachen einen Wink, und sie zerrten den jammernden Witveerlenker hinaus.
»Was hat er jetzt vor?«, fragte de Fouché spöttisch. »Will er eine Streitmacht auf die Beine stellen, um die Prinzessin aus den Händen der Gruh zu retten?«
»Noch wissen wir nicht sicher, dass sie tot ist.«
Der Sonderbeauftragte für Militärisches lachte auf. »Ich würde jedenfalls keinen Jeandor darauf setzen, dass sie den Angriff überlebt hat. Die Konsequenzen dürften selbst ihm klar sein, Kanzler. Wir müssen handlungsfähig bleiben und benötigen einen neuen Befehlshaber.«
»Und da würde der Herr Sonderbeauftragte sich natürlich selbstlos zur Verfügung stellen!«
De Fouché verzog das Gesicht. »Ich habe die Truppen unter mir, Kanzler. Das sollte er nicht vergessen.«
»Die Einzige, die befugt ist, eine solche Entscheidung zu treffen, ist Prinzessin Antoinette.«
»Die Einzige, die geistig nicht in der Lage ist, eine solche Entscheidung zu treffen, ist Prinzessin Antoinette, Kanzler!«
Goodefroot trat der Schweiß auf die Stirn. Die Äußerung de Fouchés war ungeheuerlich. Eigentlich hätte er sofort einen Boten zum Kaiser schicken müssen, um ihn über diese Respektlosigkeit zu informieren.
Andererseits hatte de Fouché vollkommen Recht.
»Wie ist es?«, knurrte de Fouché und betrachtete demonstrativ seine Fingernägel. »Will er sich heute noch entscheiden, wie zu verfahren ist?«
Goodefroot trat so nahe an de Fouché heran, dass sich fast ihre Nasenspitzen berührten. »Ich weiß genau, was er im Schilde führt«, zischte er. »Für ihn wäre es ein Triumph, wenn Marie tatsächlich von den Gruh getötet worden wäre.«
»Hüte er seine Zunge, Kanzler! Ich will nur das Beste für das Volk.«
»Er will ausschließlich das Beste für sich!«
»Das ist keine Antwort auf meine Frage.«
Goodefroot kaute auf seiner Unterlippe. Er misstraute de Fouché zutiefst, aber der Sonderbeauftragte für Militärisches hatte Recht. Im Moment war das Wichtigste, dass die Truppen von Orleans handlungsfähig blieben.
»Gut«, sagte er schließlich schweren Herzens. »Ich übergebe ihm den Befehl, sofort nach unserer Ankunft die Verteidigungsmaßnahmen um die Dörfer Ribe und Muhnzipal wie geplant durchzuführen. Außerdem wird er zehn Gardisten abstellen, welche die Lage bei der Andockstation untersuchen. Ich muss wissen, ob der Witveerlenker die Wahrheit gesagt hat.«
De Fouché erhob sich.
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