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Vulkanpark

Vulkanpark

Titel: Vulkanpark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Keiser
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dürfe, weil sonst etwas ganz Schlimmes
passieren würde, hatte er es gehen lassen. Er vertraute auf seine magischen
Fähigkeiten, doch selbst wenn sie ihn beschreiben würde, wäre er auf der
sicheren Seite.
    Trotzdem
fühlte er sich mies. Auch weil die Tat nicht das erhoffte Ergebnis gebracht
hatte. Er hatte schlechte Laune und versuchte, diese zu überspielen. Niemand
sollte ihm etwas anmerken. Früher hatte er das auch gut gekonnt. Wenn er
traurig darüber war, dass sein Vater zum wiederholten Mal seinen Geburtstag
vergessen hatte, hatte er so getan, als ob ihm das nichts ausmache. Aber tief
in ihm drin nagte die Enttäuschung. Eine Enttäuschung, die in Wut überging. Da
war er aufs Feld gerannt und hatte Blumen geköpft. Wild eingeschlagen hatte er
auf die Pflanzen, seine Wut hemmungslos rausgelassen. Ein wenig geholfen hatte
das damals. Aber heute trug so etwas nicht mehr zur Selbstberuhigung bei.
    Er sah
seinen Vater vor sich, im Trachtenanzug, mit der Flinte in der Hand. Behängt
mit Schützenorden. Damals, als Kind, wollte er werden wie er. Hart gegen sich
und andere. Gefühllos. Gerecht. Wie hatte er ihn geliebt und gehasst und
geliebt. Diesen mächtigen Mann.

8
     
    Es war ein langer Tag gewesen.
Franca schloss die Wohnungstür auf und freute sich auf ihre kleine Oase der
Ruhe.
    »Hallo,
Mammi.« Ihre Tochter Georgina erwartete sie bereits. Farinelli, der Kater, kam
angeschossen und strich ihr schnurrend um die Beine, dass es kitzelte. Sie
lachte, beugte sich zu ihm hinunter und streichelte ihn. »Schön, wenn man so
begrüßt wird.«
    »Ich
bin auf dem Sprung«, sagte Georgina. »Wollte dir grade einen Zettel schreiben.«
    »Ich
dachte, wir könnten zusammen zu Abend essen«, bemerkte Franca enttäuscht. »Wo
gehst du denn hin?«
    »Zum
Babysitten.«
    »Ach?«
Franca war überrascht. »Wohin denn?«
    »Nachbarn
von Papa. Total nette Familie.«
    David,
Francas früherer Mann, hatte sich ein Haus in Moselweiß gekauft. Mit Garten und
Blick auf den Fluss. Vor einigen Monaten war er mit seiner Freundin eingezogen.
Georgina hatte selbstverständlich auch dort ein Zimmer bekommen. Es war heller
und größer als das bei ihrer Mutter und moderner eingerichtet. Nicht nur
deshalb war Franca ein bisschen eifersüchtig.
    »Dann
bleibst du also heute Abend in Moselweiß?«
    »Das
klingt ja fast, als ob du was dagegen hättest?« Georgina sah ihre Mutter schräg
an.
    Franca
ärgerte sich, dass man ihr ihre Gefühle so deutlich anmerkte und versuchte, sie
zu überspielen. »Quatsch! Was soll ich denn dagegen haben? Babysitten ist gut.
Da wirst du auf das wahre Leben vorbereitet.«
    »Ach
nee.« Georgina grinste. »Du weißt, ich mach’s hauptsächlich wegen der Kohle.«
    Ihre
Tochter hatte Großes vor. Nach dem Abitur wollte sie ein Jahr in Australien
verbringen. Work and Travel . Für das teure Flugticket sparte sie. Franca
steckte ihr ab und an ein wenig extra Taschengeld zu, damit ihr finanzielles
Polster schneller wuchs. Grundsätzlich fand sie es richtig, wenn Kinder sich
ihr eigenes Geld verdienten und somit den Wert von Arbeit schätzen lernten.
Außerdem konnte sie sich vorstellen, dass ihre Tochter eine gute Babysitterin
war. »Dann viel Spaß.«
    Franca
schnitt eine Tomate auf und legte Mozzarellascheiben dazwischen, beträufelte
alles mit Olivenöl und Balsamico-Essig. Ein wenig Salz und Pfeffer sowie einige
sattgrüne Basilikumblättchen vervollständigten das Arrangement. Dazu goss sie
sich ein Glas Marzemino ein. »Für die italienischen Momente im Leben«, murmelte
sie vor sich hin. Den Rotwein hatte sie im Supermarkt entdeckt und zwei
Flaschen gekauft, weil er aus dem Trentino kam, der Heimat ihres längst
verstorbenen Vaters. Ein wenig wehmütig dachte sie daran, wie stolz er hinter
dem Tresen seines Feinkostgeschäfts im Entenpfuhl stand und seine italienischen
Spezialitäten anpries. Er hatte daran geglaubt, dass man Heimat essen und
trinken kann.
    Der
Wein leuchtete satt rubinrot. »Salute, Papa! Wo immer du auch bist«, sagte sie
laut und probierte einen Schluck. Hm, nicht schlecht. Der feinwürzige Geschmack
erinnerte ein wenig an Brombeeren und Kirschen.
    Sie
stellte Teller und Glas auf ein Tablett, das sie mit ins Wohnzimmer nahm.
Während ihrer starken Erkältung hatte sie weitgehend auf Alkohol verzichtet.
Doch diese war inzwischen abgeklungen, nur noch ein leichter Kratzton in ihrer
Stimme erinnerte daran.
    Auf dem
Weg von der Küche zum Wohnzimmer fiel ihr Blick auf die Bildergalerie an

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