Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wachtmeister Studer

Wachtmeister Studer

Titel: Wachtmeister Studer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
Vom Netzwerk:
sondern sein Begleiter, der kleine Dicke. Und in die Stille, die dem Lachen folgte, hörte Studer den alten Ellenberger sagen:
    »Ja, der Witschi, der war nicht dumm. Aber der Aeschbacher. Ein zweitägiges Kalb ist minder…«
    »Was ist los, Studer?« fragte der Notar Münch. Keine Antwort.
    Die Affäre Witschi schien wirklich verhext zu sein.
    Jetzt hatte Studer gemeint, sie diesen Abend wenigstens vergessen zu können.
    Aber natürlich: da kam man ins Café zum Billardspielen und ausgerechnet mußte dieser Ellenberger auch hier hocken und laut über die Affäre Witschi reden. Dann war es natürlich mit der Ruhe vorbei…
    Der Rücken des Ermordeten auf der Photographie… Der Rücken, auf dem
keine
Tannennadeln hafteten… Die Wunde im Hinterkopf… Die kuriosen Vornamen der Familienmitglieder… Wendelin hieß der Vater, die Tochter Sonja, der Sohn Armin. Vielleicht hieß die Mutter Anastasia?… Warum nicht?
    Witschi… der Name klang wie Spatzengetschilp. Der Wendelin Witschi, der auf einem Zehnder den Commisvoyageur machte und in einem Wald erschossen aufgefunden wurde… Die Frau Witschi, die im Bahnhofkiosk hockte und Romane las…
    Und während Studer auf seine Billardqueue gestützt, dem Spiele des Notars zusah, der heute abend in Form zu sein schien, hörte er wieder die angenehm dröhnende Stimme sagen:
    »Was macht wohl unser Schlumpf? Was meinst, Cottereau? Haben sie ihn wohl geschnappt, die Tschucker?«
    Das Wort ›Tschucker‹ gab Studer einen Ruck. Er war abgebrüht gegen den Spott, dem man als Fahnder ausgesetzt war. Einzig dieses verfluchte Wort mit dem unangenehmen ›U‹ machte ihn wild. Es klinge so vollgefressen, hatte er einmal zu seiner Frau geäußert. Und als er es jetzt aus des alten Ellenbergers Munde hörte, riß es ihn herum, und er starrte auf den Mann.
    Er begegnete dem Blick eines Augenpaares, und dieser Blick war ungemütlich. Studer hielt ihn nicht lange aus. Merkwürdige Augen hatte der Ellenberger: kalt wirkten sie, die Pupillen waren fast schlitzförmig, wie bei einer Katze. Und die Iris blaugrün, sehr hell.
    »Revanche?« fragte der Notar Münch. Er hatte stillschweigend eine Serie gemacht und war jetzt fertig.
    Studer schüttelte den Kopf.
    »Kennst du den dort drüben?« fragte er und deutete mit dem Daumen über die Schulter. Der Notar Münch schraubte seinen Kopf aus dem hohen Kragen. »Den Alten dort? Den, der mit dem Dicken zusammenhockt? Denk wohl!… Das ist der Ellenberger. Er war heut' bei mir. Wegen einem gewissen Witschi… Eh, du hast doch von den Leuten gehört. Der Witschi, der vor ein paar Tagen umgebracht worden ist. Der war dem Ellenberger Geld schuldig… Den Witschi hab' ich auch einmal gesehen…«
    Der Notar Münch schwieg und machte mit seiner rechten Hand, die wie eine Flosse aussah, beschwichtigende Bewegungen. Und als Studer sich umwandte, gewahrte er den alten Ellenberger, der dem Notar winkte, näherzukommen.
    Münch ging quer durch den Raum. Drüben, am runden Tischchen, schüttelte er dem alten Ellenberger die Hand und winkte dann Studer näherzukommen. Der Wachtmeister wurde vorgestellt, es erwies sich, daß Ellenberger und Studer sich vom Hörensagen kannten. Übrigens war Ellenbergers Hand mit Tupfen übersät, die in der Farbe an dürres Buchenlaub erinnerten.
    »Hat es Euch beleidigt, Wachtmeister Studer, daß ich vorhin ›Tschucker‹ gesagt habe? Ich hab gesehen, wie Ihr gezuckt habt wie ein junges Roß, wenn es die Geißel klepfen hört.«
    Das sei so ähnlich, meinte Studer, wie bei den Gärtnern, die hätten es auch nicht gern, wenn man sie ›Krauterer‹ nenne. Oder nicht?
    Der Ellenberger lachte ein tiefes Baßlachen, zwinkerte mit den faltigen Lidern, saugte die Lippen zwischen die Bilgeren und schwieg. Sein Gesicht blieb eine lange Weile starr; es wirkte uralt und grotesk.
    Sie saßen um den kleinen Tisch und hatten nicht richtig Platz. Neben ihnen stand ein Fenster offen, es war schwül, ein heißer Wind strich draußen vorbei, und der Himmel war mit einer giftiggrauen Salbe verschmiert.
    Die Kellnerin hatte unaufgefordert vier hohe Gläser mit Bier auf den Tisch gestellt.
    »G'sundheit«, sagte Studer, hob das Glas, kippte es in den Mund, setzte es ab. Weißer Schaum blieb an seinem Schnurrbart kleben. »Aaah…«
    Mit Daumen und Zeigefinger ließ der Ellenberger sein Glas langsame Tänze auf der Kartonunterlage ausführen. Dann fragte er plötzlich:
    »Wißt Ihr etwas vom Schlumpf?«
    – Er habe ihn heut morgen verhaftet…

Weitere Kostenlose Bücher