Wächter der Menschheit - Green, S: Wächter der Menschheit - The Man with the Golden Torc
dachte ich auch«, entgegnete sie. »Aber dann gingst du fort, und du hast mich nicht mitgenommen.«
»Ich habe dich gefragt«, sagte ich.
»Du wusstest, dass ich nicht gehen konnte! Ich musste mir hier im Herrenhaus mein eigenes, neues Leben schaffen. Ein Leben, in dem ich sehr mächtig geworden bin, Eddie. Und du bist ganz eindeutig ein Verräter, ein Verräter am wahren Geist der Familie! Du bist eine Bedrohung für die Zukunft der Familie, Eddie. Und das kann, das werde ich nicht zulassen.«
Sie trat vor und hob den Torquesschneider, und der Waffenschmied bellte ein einziges Wort. Die hässliche schwarze Schere sprang geradewegs aus Alexandras Händen und in die des Waffenschmieds. Aus ihrem Blick sprach etwas wie Erschütterung, als er die Schere unbekümmert und mit selbstgefälligem Lächeln in seine Kitteltasche stopfte.
»Ich habe ein sicheres Wort in alles eingeflochten, was durch mein Labor kommt, nur für den Fall, dass die Sachen in die falschen Hände geraten. Und die tödlichsten Waffen haben alle erst vor Kurzem die Waffenkammer passiert, dank der Anweisungen der Matriarchin. Mutter war schon immer ein wenig paranoid, und glücklicherweise hat sie eine gesunde Portion dieser Paranoia an ihre Kinder weitergegeben.« Nach diesen Worten zog er einen Nadelrevolver aus der anderen Tasche und schoss Alexandra damit in den Hals. Sie hatte gerade noch Zeit, eine Hand auf die Einschussstelle zu schlagen, dann fiel sie wie ein nasser Sack zu Boden, aus wie ein Licht. Der Waffenschmied blies imaginären Rauch vom Lauf seines Revolvers und steckte ihn danach wieder weg. »Den hab ich immer griffbereit, falls meine Laborassistenten mal ein bisschen überdreht sind. Sie wird ungefähr eine Stunde lang schlafen. Leg sie irgendwohin, wo sie es bequem hat, Eddie; ich gehe derweil den Schlüssel für den Kodex holen.«
»Dann hilfst du mir also?«, fragte ich.
»Ja. Ich werde dich nicht mit dem Ruf sterben lassen, ein Verräter zu sein, Eddie; so viel kann ich für dich tun. Außerdem, wenn Alexandra mit dem Torquesschneider durch die Gegend läuft, dann weiß Gott allein, was sonst noch da draußen ist. Du wirst den Eidbrecher brauchen.«
»Ich verspreche, dass ich ihn sicher wiederbringen werde!«, sagte ich.
»Das will ich dir auch verdammt noch mal geraten haben«, erwiderte der Waffenschmied. »Bring mich nicht dazu, hinter dir herzulaufen, Eddie! Ich kenne ein paar schmutzige Tricks, die du dir in all deinen Jahren an der Front nicht träumen lassen hast!«
»Ich habe mich auch schon immer gewundert, wieso deine alten Akten gesperrt sind!«, antwortete ich.
Molly und ich setzten Alexandra in eine Ecke und lehnten sie gegen die Wand. Sie murmelte nörgelig im Schlaf, aber das war alles. Molly blickte auf sie herab.
»Hätte sie dich wirklich mit dem Ding umgebracht?«
»Vermutlich«, sagte ich.
»Willst du, dass ich sie ein bisschen trete, solange sie k.o. ist?«
»Nein. So was mache ich nicht.«
»Weichei!« Sie betrachtete mich nachdenklich. »So, diese Alexandra war also einmal ein alte Flamme von dir?«
»Vor langer Zeit«, sagte ich, »als wir beide viel jünger waren. Sie war nicht immer so wie jetzt, musst du wissen. Du bist doch nicht etwa eifersüchtig, oder?«
»Ich? Nein! Wieso sollte ich eifersüchtig sein? Ich hatte viele Freunde in meiner Zeit. Dutzende!«
»Sie wussten dich wahrscheinlich nicht so zu würdigen, wie ich es tue«, meinte ich.
*
Zur zusätzlichen Sicherheit bewahrt die Familie den Armageddon-Kodex in einer Taschendimension auf. Einzig der Waffenschmied und sein designierter Nachfolger können sich ihr nähern, geschweige denn Zutritt zu ihr erlangen. Der Kodex enthält die mächtigsten Waffen der Familie, die zu gefährlich sind, um sie einzusetzen, es sein denn die Realität selbst ist bedroht. Normalerweise muss man bändeweise Papierkram ausfüllen, bevor einem auch nur erlaubt wird, sich der Matriarchin mit einem Ersuchen zu nähern. Der Waffenschmied bewies großes Vertrauen in mich, indem er mich den Eidbrecher nehmen ließ. Trotz aller Sympathie würde er das nicht tun, wenn er nicht bereits überzeugt wäre, dass mit der Familie etwas ernsthaft nicht in Ordnung war.
Um zum Armageddon-Kodex zu gelangen, muss man durch den Rachen des Löwen. Am allerhintersten Ende dessen, was einmal, bevor sie zur gegenwärtigen Waffenkammer umfunktioniert worden waren, die alten Weinkeller dargestellt hatte, befindet sich ein riesiges Steinrelief eines Löwenkopfes,
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