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Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman

Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman

Titel: Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette McCleave
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die er für den Heilungsprozess brauchte. Lachlan war noch immer zehn Meter von seinem Ziel entfernt, die Muskeln taub und ausgelaugt, als der Bus sein verhängnisvolles Hinabsinken in die Tiefe wieder aufnahm.
    Im Wasser bildeten sich jetzt Wirbel und Strudel. Schreckensschreie zerrissen die Luft. Ein mutiger Schüler öffnete die hintere Tür, und panische Jugendliche drängten hinaus, übereinanderfallend in dem hysterischen Versuch, sich in Sicherheit zu bringen.
    In einer letzten Kraftanstrengung schwamm Lachlan heran, holte tief Luft und tauchte ab. Diejenigen Schüler, die in der größten Gefahr schwebten, befanden sich nicht im Heck, sondern vorn im Bus. Die gelbe Farbe des Fahrzeugs leitete Lachlan durch das trübe Wasser, und er fand mühelos die Fenster. Im Innern des Busses stieg das Wasser rasch. Sechs Jugendliche mühten sich ab, den Kopf über das brodelnde Wasser zu halten, während zwei weitere dem Gestrampel ihrer Gefährten nicht auszuweichen vermochten und hinuntergedrückt wurden. Keine Spur von Emily.
    Lachlan packte den Griff eines bereits halb offen stehenden Fensters und riss daran. Nichts. Der Bus setzte seine langsame Fahrt in die Tiefe fort. Das Heck war kurz davor, zu versinken, und Panik erfasste den Seelenwächter. Mit steifen Fingern griff er nach dem Fenster und rammte ein Knie dagegen. Es brach. Das Glas bröckelte, Wasser strömte ein, und Lachlan zwängte sich durch die Öffnung nach drinnen. In dem schmutzigen Wasser tauchte er auf der Suche nach Emily zu den Sitzen im vorderen Teil des Busses. Aber er konnte das Mädchen nirgends finden. Die Zeit lief ihm davon. Er packte die beiden Schüler, die unter Wasser waren und deren Bewegungen bereits schwächer wurden, und schwamm mit ihnen hinauf zur hinteren Tür.
    Dann sah er sie aus dem Augenwinkel: ein waberndes Knäuel aus schwarzen Kleidern und blondem Haar, das ebenfalls von schwarzen Strähnen durchzogen war – Emily schwebte zwischen zwei Sitzbänken im hinteren Teil des Busses, mit geschlossenen Augen und erschlafften Gesichtszügen.
    Lachlans Finger umklammerten die T-Shirts der beiden Jungen, während mit einem lauten, metallischen Ächzen auch die letzten Zentimeter des Busses im Wasser versanken. Ein mächtiger Wasserschwall strömte durch die geöffnete hintere Tür ein, der Lachlan und die um sich tretenden Jungen zurück in den vorderen Teil des Busses drückte. Bewusstlos und zu keiner Bewegung fähig, trudelte Emily zu ihnen herab. Die Gesichter der panischen Kinder färbten sich bereits blau, doch Lachlan hatte keine Wahl: Er musste Emily retten, und es kam ihm nur eine Lösung in den Sinn. Er presste seine Lippen auf die der Jungen und opferte ihnen den wenigen Sauerstoff, der in seinen eigenen Lungen übrig geblieben war. Aber wozu brauchte ein Unsterblicher schon Luft?
    Nun, da kein Atem mehr darin war, wurde seine Brust zusammengedrückt. Sie schmerzte und fühlte sich an, als würde eine Eisenklammer sie umspannen. Das Herz des Seelenwächters hämmerte in heftigem Protest. Trotz Lachlans verzweifelten Bemühungen, die Kontrolle zu behalten, setzte sich sein triebhafter Überlebenswille durch. Lachlan riss den Mund auf und sog das grünbraune Wasser des Almaden Lake ein. Schmerz fraß sich seine Kehle hinunter, versengte die Lungen und riss an den Eingeweiden, während er ertrank. Ertrank, obwohl er nicht sterben konnte.
    Ihm blieb nur übrig, den unerträglichen Schmerz auszuhalten, ihn zu überstehen. Und das zu vollenden, warum er hier war.
    Lachlan zwinkerte einige Male, um wieder besser sehen zu können. Dann griff er nach unten, nach Emilys schwarzer Lederweste, und schwamm mit kräftigen Beinstößen in Richtung der hinteren Tür. Er schob die zwei weiteren eingeschlossenen Jugendlichen vor sich her, der trüben Wasseroberfläche entgegen. Irgendwie manövrierte er das schwerfällige Grüppchen durch die Öffnung und schoss mit ihm von dort aus nach oben.
    Es dauerte eine Ewigkeit. Eine brennende, quälende Ewigkeit. Lachlans Beine waren taub und seine Arme so schwer, dass sie ihm nur sehr unbeholfene Dienste leisteten. Als die Wasseroberfläche nahte, hell und leuchtend, schob er die Jugendlichen mit letzter Kraft an und zwang ihre Köpfe hinauf, über Wasser. Die beiden Jungen würgten und keuchten, doch Lachlan schwamm weiter, bis er das Ufer erreichte. Irgendjemand – er konnte nicht sagen, wer – befreite die Jugendlichen aus seinen verkrampften Fingern und begann Emily

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