Wächter des Mythos (German Edition)
ihn ein Schlag. Sandinos Lider flackerten, dann fand er sich am kalten Boden wieder und versuchte tief durchzuatmen.
» Warum … warum haben Sie das getan«, keuchte er.
»Unglaube befreit man nicht durch Toleranz, sondern durch Opfer. Indem ich mich des Ungläubigen erwehre, kämpfe ich für das heilige Werk des Herrn.«
»Das heiligste Recht auf dieser Welt ist unser Glaube an eine Idee, doch das unheiligste Opfer ist das Blut, das man für diesen Glauben vergießt. Warum haben Sie den Kardinal umgebracht? Er stand doch auf Ihrer Seite!«
Der Priester stieß ein verächtliches Schnauben aus, während er ihm Fesseln anzulegen begann. »Gott war es, der diese Strafe von mir verlangte. Denn die Ursache für den Zerfall des römisch-katholischen Glaubens liegt nur in der feigen Passivität unserer glaubenserhaltenden Inquisition!«
Sandino riss ungläubig die Augen auf. »Der Kardinal akzeptierte doch die heilige Bibel so, wie sie noch heute von konservativen Mitbrüdern ausgelegt wird. Und zwar mit all den darin beschriebenen Grausamkeiten und Unwägbarkeiten, die ein Gott für seine Menschenkinder ersonnen hat. Ich verstehe wirklich nicht, warum der Kardinal sterben musste …«
»Du wirst noch lernen, dankbar zu sein für den Zorn und die Gnade unseres Herrn. Denn ich werde es sein, der den Glauben aus dem sündigen Pfuhl deiner ungläubigen Gedanken emporwachsen lässt«, rief der Priester wütend.
» Warum musste der Kardinal sterben?« wiederholte Sandino kraftlos.
»Der reine Glaube wird niemals durch Besänftigung und kompromissbereites Predigen entstehen, sondern allein durch den unbezwingbaren Willen einer mitleidlosen katholischen Bewegung«, antwortete der Priester zynisch.
»Unsere heutige Kirche mag ja in mancher Hinsicht etwas zu liberal und human erscheinen, doch ist das nicht das eigentliche Ziel einer Heilslehre?«, Sandino nahm all seine Kräfte zusammen, um sich diesem Unmenschen wenigstens mit Worten entgegenzustellen. »Das Leben und der Glaube bedeuten doch, einem ständigen Wandel unterworfen zu sein. Einem Wandel, der zu einem besseren Menschen führt und somit auch zu einem besseren Dasein für uns alle.«
»Man verändert den Glauben nicht! Für unsere Bruderschaft ist das, als würde man versuchen, die Bibel neu zu schreiben. Man erhält, man rekonstruiert, man bessert den Glauben aus, aber man darf ihn nicht verändern.«
»Das tun wir auch nicht, der Vatikan erhält, was erhaltenswert ist!«
»Wer den Sieg der römisch-katholischen Weltanschauung wirklich und ernstlich wünscht, der muss eine einmal als günstig befundene Form für immer beibehalten.«
* * *
»Gabriel?«, rief Alina zögernd, wegen seines ausgefallen Äußeren zunächst verunsichert, und sprang dann erfreut vom Bett, um ihm entgegenzueilen. »Gabriel!«
Erleichtert versuchte er, Alina zu umarmen, während die Tiraboleiros hinter ihm ihren Rückzug antraten. Gabriel wirkte bei dieser stürmischen Begrüßung etwas unbeholfen, denn sein linker Arm, den er in einer Schlinge trug, kam ihm in die Quere.
»Alina«, sagte er hilflos, »kaum sehen wir uns wieder, da sitzen wir schon wieder in der Scheiße .«
Beide mussten herzhaft lachen, glücklich, sich wiederzusehen, auch wenn die Umstände in der Tat alles andere als erfreulich waren.
»Ich habe in der Kathedrale nach euch gesucht. Und als ich dich dann endlich zwischen all den Menschen entdeckte, ging alles viel zu schnell. Sie haben mich wahrscheinlich schon die ganze Zeit beobachtet, bevor sie mich schnappten. Wo ist denn Sandino?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Alina ernst, »irgend so ein Kardinal aus Rom hat ihn erwartet, vielleicht wird er verhört. Äh …« Alina musterte Gabriel mit einem verlegenen Lächeln, »ich wusste gar nicht, dass du für extravagante und schrille Designermode zu haben bist!«
»Ach, was blieb mir bei meinem Aussehen und dieser Kopfverletzung denn anderes übrig?«
»Steht dir wirklich gut«, meinte Alina schmunzelnd. »Du solltest ab jetzt immer einen Turban tragen. Hast du die Zeichen der Botschaft in der Kathedrale gesehen?«
»Ja, die ganze Kirche ist voll davon. Sie sind mir erst aufgefallen, als du die ersten Zeichen entdeckt hast.«
»Erstaunlich, dass keiner deiner Ahnen zu wissen schien, was dieser Kelch in Wahrheit bedeutete. Zumindest war sich keiner bewusst, dass es sich bei den Zeichen auf dem Kelch um einen Code handelt, der eine Templerbotschaft sichtbar werden lässt.«
Alina blickte ihn glücklich
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