Wächterin der Träume
Doch das tat er keineswegs.
»Was sollte deiner Meinung nach mit ihr geschehen, Dawn?«, fragte er.
Ja klar, häng es mir an, statt selbst die Verantwortung für dein missratenes Gör zu übernehmen, dachte ich. Mir fielen alle möglichen schrecklichen Dinge ein, die ich ihr hätte antun können, zahllose Strafen, die sie, wie ich fand, verdient hätte. Doch letzten Endes war ich dann doch nicht so rachsüchtig.
»Ich finde, es genügt, ihr die Macht zu nehmen.« Wenn ich daran dachte, wie stolz sie auf ihr Amt war und wie hochnäsig es sie machte, schien mir das ausreichend. »Vielleicht würde eine Weile in Einzelhaft ihr Gelegenheit geben, darüber nachzudenken, was sie aufs Spiel gesetzt und verloren hat.«
Morpheus lächelte mich stolz an. Offensichtlich hielt er mein Urteil für streng, aber gerecht. Seine Tochter würde ihre Strafe erhalten, ohne dauerhaften Schaden davonzutragen. »Ein angemessenes Urteil.«
Ich drehte mich zu meiner Schwester um. »Wenn sie jedoch noch ein einziges Mal mich oder jemanden, der mir nahesteht, bedroht, soll sie auf der Stelle ausgelöscht werden.« Ich wandte mich an Morpheus. »Einverstanden?«
Er wirkte ein wenig überrascht – vielleicht weil ich an so etwas gedacht hatte. Aber wenn es um Menschen ging, die ich liebte, ließ ich nicht mit mir spaßen. »Einverstanden.«
Padera fauchte förmlich: »Ganz egal, was du tust – jemand anderes wird meinen Platz einnehmen. Und Ihr werdet stürzen, Mylord.« Sie warf mir funkelnde Blicke zu. »Und du abartiges Geschöpf wirst vernichtet werden.«
Bei ihren Worten wurde mir ganz kalt. War es denn noch immer nicht vorbei? Mit wachsender Panik blickte ich meinen Vater an. »Wovon, zum Teufel, redet sie?«
»Wenn sich keiner für das Amt des Obersten Wächters bewirbt, wird ihr Nachfolger aus dem Kreis der geeigneten Kandidaten gewählt«, erklärte er grimmig.
»Und die Chancen stehen fünfzig zu fünfzig, dass es einer deiner Feinde ist?«, fragte ich.
»Ihrer Miene und den jüngsten Ereignissen nach zu urteilen, stehen die Chancen für sie sogar noch besser. Sie hätte ihren Posten niemals aufs Spiel gesetzt, wenn nicht schon ein passender Nachfolger bereitstünde.«
Ich schluckte. Na großartig. Und dann, mit einer Entschlossenheit, die mich selbst erschreckte, trat ich einen Schritt vor und starrte die rotblonde Frau an, die versucht hatte, mich zu töten. »Ich bewerbe mich um das Amt der Obersten Wächterin«, verkündete ich.
Da tickte sie aus.
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Kapitel neunzehn
W ie eine Löwin auf ein schreckenstarres Lamm stürzte sich Padera auf mich. Darauf war ich nicht gefasst gewesen, obwohl ich es angesichts unseres Verhältnisses und meiner nicht allzu geschickten Herausforderung eigentlich hätte sein müssen.
Aber was war mir anderes übriggeblieben? Nur so konnte ich meinen Vater, Noah, mich selbst und alle, die mir wichtig waren, beschützen. Verek war nicht dazu bereit gewesen, also musste ich es tun.
Übrigens war er es, der gemeinsam mit Noah Padera daran hinderte, mir die Augen auszukratzen. Ich staunte, dass Noah sie zurückhalten konnte – er musste in dieser Welt größere Kräfte haben, als wir dachten. Welch eine Überraschung. Und ich muss mich in einer Art Schockzustand befunden haben, da ich reglos stehen blieb, als wäre nichts geschehen.
»Nimmst du meine Herausforderung an?«, fragte ich die Rothaarige, die versuchte, ihre Arme aus dem Griff der beiden Männer zu befreien.
Ihre bleichen Augen glitzerten wie Glasscherben. »Ich nehme an.«
»Sie kann sich nicht um das Amt der Obersten Wächterin bewerben!«, rief ein Ratsmitglied, das ich nicht kannte, und sprang von seinem Platz auf. »Sie ist keine von uns!«
Schwerer Fehler. Mein Vater verzog keine Miene, doch ich wusste, dass er diesen Mann von nun an beobachten würde. Und gnade ihm Ama, wenn Morpheus etwas an ihm auszusetzen fand. »Sie ist von meinem Blut und damit ein Traumwesen. Außerdem gibt es keine Vorschriften, die besagen, wer sich für das Amt bewerben darf und wer nicht.«
Zögernd und mit düsterer Miene nahm der Mann wieder Platz.
»Was müssen wir jetzt tun?«, fragte ich Morpheus.
»Es ist ein körperlicher und geistiger Wettkampf«, erklärte mein Vater. »Sieger ist, wer mehr Körperkraft, Ausdauer und vor allem die größere Macht besitzt.« Aus seiner etwas unsicheren Miene schloss ich, dass seine andere Tochter ziemlich gut darin war. Na super.
Also, ich konnte kämpfen und besaß, wie ich wusste, auch
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