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Wächterin der Träume

Wächterin der Träume

Titel: Wächterin der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Smith
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plumpsen. Von ihr hatte ich also die Neigung zur Frustfresserei. »Ich wusste, dass er mit Madrene zusammen gewesen war, ebenso wie mit anderen Frauen. Ich weiß auch, dass er noch weitere Kinder hat.«
    Ich verschwieg ihr meinen Verdacht bezüglich Gladios. Das war einfach zu verrückt. »Wo liegt dann das Problem?«
    Sie blickte wütend drein. »Darin, dass sein Kind mein kleines Mädchen schikaniert und er es nicht für nötig gehalten hat, mir diese Nebensächlichkeit mitzuteilen.«
    Ich lächelte mitfühlend. »Er war uns beiden gegenüber nicht gerade offen. Aber zu seinen Gunsten nehme ich an, dass es ihm einfach nicht wichtig genug war.«
    Mom schnaubte. »Du hast mehr Vertrauen zu ihm als ich. Ich liebe diesen Mann, Dawnie, aber ich kenne seine Fehler bis ins kleinste Detail. Er hat gehofft, wir würden es nie erfahren.«
    Vielleicht hatte ich ja meine Mutter unterschätzt. Ich will damit nicht sagen, dass ich ihr alles verzieh – wie zum Beispiel, dass sie ihre Familie verlassen hatte –, aber langsam mochte ich sie viel besser leiden. »Hat er dich um Verzeihung gebeten?«
    Sie lächelte durchtrieben. »Ja. Er ist immer noch dabei.«
    Da mussten wir beide lachen, denn, Gott hin oder her, es geschah ihm recht.
    Wir unterhielten uns über den »Prozess« und über Noah. Zumindest Mom fand es richtig, dass ich ihm das Amulett gegeben hatte. »Es beruhigt mich sehr zu wissen, dass er dir auch hier beistehen kann.«
    »Das hört sich so an, als wolltest du weggehen«, erwiderte ich stirnrunzelnd. Mir fiel wieder ein, dass sie mich gebeten hatte, mich um Morpheus zu kümmern, falls ihr etwas zustieße. »Gibt es irgendetwas, was du mir sagen willst?«
    Sie lächelte nur – ein wenig traurig, wie ich fand. »Ich mache mir Sorgen um dich.«
    Ich hatte einen Kloß in der Kehle. Nicht schlimm genug, um loszuheulen, doch ich spürte wieder einmal dieses vertraute Brennen in den Augen. »Und
ich
mache mir Sorgen um
dich

    Ich rückte näher an sie heran und ließ es zu, dass sie mir den Arm um die Schultern legte. Im Vergleich zu mir wirkte sie klein, zart und zerbrechlich. Und dennoch hatte ich mich in meinem ganzen Leben noch nie so sicher und behütet gefühlt wie in diesem Augenblick in ihren Armen.
    »Es ist so schrecklich, Mom«, flüsterte ich, überzeugt davon, dass kein anderer von meinem Geständnis erfahren würde. »Warum kann mich hier bloß niemand leiden?«
    Ich spürte ihr Lächeln, mit dem sie mir übers Haar strich. »Weil sie dich nicht kennen, mein Schatz.« Wieder wurde mir die Kehle eng. So hatte sie mich seit Jahren nicht mehr genannt.
    »Sie wollen mich gar nicht kennenlernen, sondern mich nur hassen«, beklagte ich mich bitterlich.
    »Die Geschöpfe hier sind auch nicht anders als überall. Sie hassen, was sie nicht verstehen. Du musst einfach dafür sorgen, dass sie dich verstehen.«
    »Na toll. Das sollte ja nicht schwer sein«, entgegnete ich bissig.
    »Nein«, pflichtete sie mir leise lachend bei. »Wenn du deinen Weg erst einmal gefunden hast, wird es dir gar nicht mehr schwer vorkommen.«
    Ich schwieg und dachte über meine Ängste nach – und darüber, wann ich denn endlich diesen Weg finden würde. Ich hatte das ganze Theater so sterbenssatt.
    »Weißt du, was du brauchst?«, fragte Mom in einem bestimmenden mütterlichen Ton, der ausdrücken sollte, dass sie die Antwort besser kannte als ich. »Ein Schläfchen. Wenn du ein wenig geschlafen hast, sieht alles gleich anders aus.«
    »Ich glaube nicht, dass ich jetzt schlafen kann.« Trotz meiner Müdigkeit war ich einfach zu kribbelig.
    »Ach, Unfug«, erwiderte sie und begann zu meiner Bestürzung, eines dieser Schlafliedchen zu singen, die wir immer »Lala-Liedchen« genannt hatten. Leise, beruhigende Melodien, die keinen richtigen Text hatten.
    Im Handumdrehen war ich eingeschlafen.
     
    Mom hatte recht gehabt – nach dem Nickerchen ging es mir besser. Als ich erwachte, lag ich auf dem Sofa, die flauschige Decke bis zum Kinn hochgezogen. Meine Mutter saß auf der anderen Seite des Tisches in einem der beiden großen Ohrensessel. In dem anderen hockte – Noah. Die beiden unterhielten sich in gedämpftem Ton.
    Da sie nicht bemerkt hatten, dass ich erwacht war, nutzte ich die Gelegenheit, Noah heimlich zu beobachten. Er sprach ungezwungen mit meiner Mutter, sein Gesicht mit den markanten Zügen wirkte offen und entspannt. Wie sah er sie? Ich nahm es ihr übel, dass sie uns verlassen hatte, doch vielleicht sah er in ihr

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