Wächterin der Träume
eine Frau, die den Mut gehabt hatte, sich aus einer unangenehmen Situation zu lösen – eine Frau, die kein Opfer mehr sein wollte. Auch jetzt wieder kämpfte sie um das, was ihr gehörte.
Und als ich Noah ansah, wusste ich, dass es sich lohnte, auch um
ihn
zu kämpfen. Ich hatte ihm das Amulett nicht nur gegeben, damit er mir zu Hilfe kommen konnte, sondern weil wir dadurch in dieser Welt ein wenig gleichwertiger wurden. Denn genau das sollte er für mich sein – ein gleichwertiger Partner. Ich wusste nicht, ob es funktionieren würde, doch ich wollte es zumindest versuchen. Ich hoffte nur, dass es ihm mehr zusagen würde als die Rolle des edlen Ritters. Ich hatte nämlich keine Lust, mich ständig retten zu lassen, und ich wollte auch keinen Freund, dessen Selbstwertgefühl davon abhing, ob er jemanden beschützen konnte oder nicht.
Ich hatte inzwischen erkannt, dass Noah keine Frau wollte, die etwas vor ihm verheimlichte, aus Angst davor, wie er reagieren würde. Aus lauter Angst, er würde sie irgendwann auch für einen Freak halten und sie verlassen. Es wäre gelogen gewesen zu behaupten, dass ich mir darüber keine Gedanken machte. Aber das war mein Problem und nicht seines.
»Ihr beide redet über mich, stimmt’s?« Gähnend setzte ich mich auf.
»Das weißt du doch«, antwortete Noah mit einem schiefen Grinsen, bei dem ich ganz schwach wurde. »Wie geht’s dir, Doc?«
Ich strubbelte mir durchs Haar und kratzte mich am Kopf. »Gut. Ich möchte gern nach Hause.«
Sein Lächeln verblasste. »Ich auch.«
Als sich unsere Blicke trafen, lag in ihnen sehr viel, was ungesagt blieb.
In diesem Augenblick räusperte sich meine Mutter und stand auf. »Also, wenn ihr mich nun entschuldigen würdet, ich habe noch zu tun.«
Ich war ziemlich sicher, dass das nicht stimmte, aber ich war ihr trotzdem dankbar für die Ausrede. »Danke, Mom.«
Sie strich mir über den Kopf und sagte Noah auf Wiedersehen. Kaum war die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen, saß ich schon auf Noahs Schoß, schlang die Arme um seinen Hals und zeigte ihm mit einem Kuss, der mir durch und durch ging, wie glücklich ich war, ihn zu sehen.
»Wie geht es dir wirklich?«, fragte er, als ich mich wieder aufrichtete. Dabei rieb er mir in langsamen Kreisen den Rücken.
Ich lehnte meinen Kopf an seinen. »Ich möchte, dass es vorbei ist, aber ich habe Angst davor, wie es ausgeht. Padera hat gestanden, Durdan das Amulett gegeben zu haben, aber der Rat war nicht erbaut darüber, dass ich dir meines gegeben habe.«
»Du hast es ihnen erzählt?«
»Sie haben danach gefragt. Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, sie anzulügen«, erwiderte ich achselzuckend.
Seine Miene verriet, dass Noah genau das gewollt hätte. Nicht zu seinem, sondern zu meinem eigenen Schutz.
»Wenn ich gelogen hätte und sie es merken würden, steckte ich noch tiefer in der Patsche, Noah.«
»Ich weiß. Es wäre mir nur lieber gewesen, du hättest mich nicht mit hineingezogen.«
Seufzend rutschte ich von seinem Schoß. Ich hatte keine Lust, schon wieder über dieses Thema zu reden. »Na ja, seit der Rat weiß, dass meine Schwester dich bedroht hat, könntest du zur Lösung des Problems beitragen.«
Noah Augenbrauen schossen in die Höhe. »Deine
Schwester?
«
Ach du Schande. Ich zuckte zusammen. »Habe ich dir das nicht erzählt?«
Der Laut, den er ausstieß, hätte ebenso gut ein Lachen wie ein Fluchen sein können. »Gibt es noch mehr, das du vergessen hast zu erwähnen?«
Ich brachte ein halbherziges Lächeln zustande. »Sobald mir etwas einfällt, bist du der Erste, der es erfährt.«
Kopfschüttelnd fuhr er sich mit den Fingern durchs Haar. »Mein Gott, Doc. Warren und ich sind noch nicht einmal miteinander verwandt, und trotzdem würden wir uns niemals so etwas antun.«
Ich zog die Brauen hoch. »Ja, aber Warren sieht in dir auch nicht den Antichrist.«
Noah rieb sich das Kinn. »Was sagt denn dein Vater zu alldem?«
»Verdammt wenig. Ehrlich gesagt habe ich noch gar nicht mit ihm darüber gesprochen.«
Noah legte den Kopf schief und blickte mich mit krauser Stirn an. »Aber er ist doch auf deiner Seite, oder?«
»O ja. Obwohl es ihm bestimmt nicht leichtfällt. Überleg doch nur, in welchem Zwiespalt er steckt.«
Diesmal musste Noah wirklich lachen. »Da analysierst du den Gott der Träume. Du bist wirklich einmalig!«
Ich lächelte ein wenig verlegen. Am liebsten hätte ich ihn wieder in die Arme genommen, doch in diesem Augenblick kam Verek
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