Während die Welt schlief
wurde, stimmte erleichtert zu, und wie es der Brauch verlangte, bekam er zwei Tage später die Mitgift für sie. An diesem
Tag beobachtete Dalia durch die kleinen Löcher ihres Netzfensters, wie eine Abordnung von Männern ihrem Vater Geld und Gold überbrachte. Die beeindruckende Mitgift berührte sie allerdings weitaus weniger als der Anblick von Darwish, der sich unter den Männern befand.
In dieser Sache hatte sie nichts mitzureden, aber ihr gefiel die Vorstellung, eine Arusa zu werden, so wie kleine Mädchen Spaß daran haben, sich wie Erwachsene anzuziehen. Wenn es doch bloß für Darwish gewesen wäre.
An Dalias Hochzeitstag schrubbten und polierten ihre weiblichen Verwandten – Mutter, Tanten, verheiratete Schwestern und Cousinen – jeden Quadratzentimeter ihres Körpers. Immer wieder trugen sie ihr Aeeda auf die Haut auf und rissen sie wieder ab, von ihren Beinen, ihren Schenkeln, ihren Armen, ihrem Bauch und ihrem Po. Dalia reckte jedes Mal den Kopf, um die kleinen Haufen aus schwarzen Haaren zu sehen, die ihr mit jedem Ruck ausgerissen wurden. Sie glaubte zu spüren, wie elektrische Ströme durch ihren Körper flossen. An der empfindlichen Haut zwischen den Beinen tat es am meisten weh. »Ganz ruhig, meine Tochter«, sagte die Mutter, als sie Dalias Beine weit spreizte. Bismillahi al-Rahmani al-Rahimi. Mit der Sicherheit und Geschicklichkeit der Hebamme riss die Mutter das Schamhaar, das der Tochter erst vor Kurzem gewachsen war (und auf das Dalia so stolz war), mit einer einzigen Bewegung aus. Dalia sprang auf vor Schmerzen. Die Frauen lachten wohlwollend. »Komm, meine Tochter. Komm zu uns, in die Welt der Frauen.« Als eine Tante bemerkte, dass Dalias Schenkel feucht wurden, sagte sie zu ihrer Schwester: »Sieht aus, als würde deine Tochter eine gute Ehefrau abgeben. « Da lachten sie wieder, und Dalia fügte sich gehorsam in ihre Verwandlung.
Sie beobachtete im Spiegel, wie ihre Augen verführerisch mit Kajal umrandet wurden, was ihr Gesicht älter und reifer wirken ließ. Sie war eine prächtige Arusa, so, wie es in ihrer Kultur üblich war, und sämtliche kleinen Mädchen schauten sie bewundernd an, genau wie sie damals die Bräute, die für ihre Hochzeit herausgeputzt wurden, bewundernd angeschaut hatte.
Sie trug glitzernde Geschenke um den Hals, quer über die Stirn, um die Hand- und Fußgelenke und an den Ohrläppchen. Derart geschmückt heiratete Dalia mit ihren vierzehn Jahren Hasan Yahya Abulhija in einer prunkvollen Zeremonie. Es war eine Feier, die vieles widerspiegelte: die Wiederherstellung der Ehre von Dalias Vater, die heftige Verbitterung Basimas und die Melancholie im Herzen Darwishs.
Die kleine Braut, behängt mit der Hälfte ihres Körpergewichts in Gold, wohnte ihrer eigenen Hochzeit still bei. Ständig rieb sie sich die Hände, fest presste sie ihre Kiefer aufeinander, selbst als sie von Gratulanten geküsst wurde.
Bevor sich die Männer den Frauen anschlossen, feierten sie alleine. Sie opferten ein Lamm, tanzten ausgelassen und sangen ihre Freude heraus. Schwermütig führte Darwish eine Dabka für seinen Bruder an. Er prostete dem Bräutigam zu, im Herzen Liebe, heimliche Trauer und den Willen, sich Allah zu fügen.
»Insha’allah, du bist als Nächstes dran, mein Bruder«, sagte Hasan mit Überzeugung, als er Darwish umarmte.
»Insha’allah.« So Gott will.
Zehn Monate nach der Hochzeit machte Dalia sich im Dorf beliebt, indem sie einen Sohn gebar, den sie Yussuf nannte. Von da an wurde Dalia, die erst fünfzehn Jahre alt war, respektvoll »Umm Yussuf« genannt, und Hasan rief man »Abu Yussuf«.
Schon vor der Geburt Yussufs war Basima freundlicher gegenüber
Dalia geworden. Sie kam nicht umhin, Dalias Fleiß im Haushalt, das Geschick, mit dem sie ihrer Mutter bei deren Tätigkeit als Hebamme des Dorfes zur Hand ging, und die Zufriedenheit ihres frischgebackenen Ehemanns anzuerkennen. Die Familien einigten sich darauf, dass Darwish die Nichte heiraten würde, die Hasan verschmäht hatte – damit war Basimas Ehre gerettet.
Dalias Unerfahrenheit bewog Basima, ihre Beduinentochter in die Welt der Mutterschaft einzuführen. Sie brachte ihr bei, in welchen Abständen sie dem Kind die Brust geben musste und was sie tun sollte, wenn es unter Koliken litt. Sie weihte sie in die Geheimnisse ein, wie sie ihren Körper straffen und sich die Aufmerksamkeit ihres Ehemanns nach der Geburt des Kindes erhalten konnte.
»Irgendwann verlierst du alles. Die Brüste, die
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