Während ich schlief

SCHREIBST. ES GEFÄLLT MIR.
    MIR AUCH, antwortete ich aufrichtig. HAST DU DR. BIJA GESAGT, DASS DU MIT MIR REDEN MÖCHTEST?
    NATÜRLICH. ICH BIN KEIN GUTER LÜGNER, UND WENN ICH MICH OFFEN FÜHLE, KANN ICH AUCH SCHLECHT ETWAS VERBERGEN.
    WAS DENKT DR. BIJA ÜBER MICH?
    AH, DAS SCHON WIEDER. SIE DENKT NICHT ÜBER DICH ODER IRGENDEINEN IHRER ANDEREN KLIENTEN NACH, WENN ICH BEI IHR BIN, UND FALLS SIE ES VERSEHENTLICH DOCH TUT, IGNORIERE ICH DEN GEDANKEN. DAS ERFORDERT VIEL VERTRAUEN VON IHRER SEITE, ABER SIE WEISS, WAS SIE TUT.
ES IST SO ÄHNLICH, ALS WÜRDE MAN SICH IN EINEM RAUM VOLLER GEHEIMDOKUMENTE AUFHALTEN, UND MAN HAT GESCHWOREN, KEINES DAVON ZU LESEN, WENN ES EINEM NICHT DIREKT UNTER DIE NASE GEHALTEN WIRD. IMMER SCHÖN GERADEAUS GUCKEN UND NICHT AUF DIE UMGEBUNG ACHTEN.
    OH, ICH WOLLTE NICHT GEGEN DEINEN MORALCODEX VERSTOSSEN. ICH GLAUBE, ICH WAR NUR DARAUF AUS, ZU ERFAHREN, WIE ANDERE MICH SEHEN.
    ICH KANN DIR SAGEN, WIE ICH DICH SEHE.
    Ich fürchtete mich ein bisschen vor dem, was ich zu lesen bekommen würde, aber ich tippte: OKAY.
    DU BIST SEHR STILL. DU SPRICHST MEHR MIT MIR, ALS ICH DICH JE IN DER SCHULE REDEN SEHE. Das stimmte, ich schrieb mir mehr mit ihm, als ich selbst mit Bren oder Dr. Bija sprach. DU KOMMST MIR TRAURIG VOR, fuhr er fort. DEINE AUGEN SIND DUNKEL, UND DAMIT MEINE ICH NICHT NUR DAS SATTE TEEBRAUN IHRER FARBE. Hm. Otto hatte ein Auge für Farben. DU BIST SEHR MIT DEINER KUNST BESCHÄFTIGT, IMMER AM ZEICHNEN. DAS SCHEINT DIR SEHR AM HERZEN ZU LIEGEN. EINE ART VENTIL. WESENTLICH MEHR ALS EIN HOBBY, DENKE ICH.
    DAS STIMMT. Ich wollte auch etwas von mir preisgeben, da er mir so viel über sich anvertraut hatte. ICH VERSUCHE DAMIT, DIE DINGE UM MICH HERUM ZU VERSTEHEN.
    ES FÄLLT DIR SCHWER, DEINE UMGEBUNG ZU VERSTEHEN?
    JA. ICH HABE MICH SCHON IMMER EIN BISSCHEN ALS AUSSENSEITERIN GEFÜHLT, AUCH VOR ALLDEM HIER. DAS ZEICHNEN HILFT MIR.
    DAS IST GUT. LASS MICH ÜBERLEGEN, WAS NOCH? ALSO, ICH PERSÖNLICH MACHE MIR EIN BISSCHEN SORGEN UM DICH. DU BEKLAGST DICH NICHT, OBWOHL ICH MERKE, DASS DU SO ZIEMLICH ALLES AN DER SCHULE HASST. ICH HABE MICH
SCHON GEFRAGT, OB DIR MAL WAS SCHLIMMES PASSIERT IST. ABER NATÜRLICH SIND SICH ALLE DARÜBER EINIG, DASS ES EINEN ZWANGSLÄUFIG VERSTÖREN MUSS, WENN MAN SECHZIG JAHRE ÜBERSPRUNGEN HAT.
    ACH, ALLE HALTEN MICH ALSO FÜR GESTÖRT? TOLL.
    KLAR TUN SIE DAS. DIE MEISTEN LIEGEN JEDOCH, GLAUBE ICH, FALSCH BEI DER FRAGE, AUF WELCHE WEISE. DEN GERÜCHTEN ZUFOLGE (DIE MIR NICHT SO HEILIG SIND WIE DIE GEDANKEN), GLAUBEN VIELE, DASS DU DICH FREIWILLIG HAST IN STASIS VERSETZEN LASSEN UND DASS DU NUR IM MITTELPUNKT STEHEN WOLLTEST, ALS DIE VERWAISTE ERBIN VON UNICORP. DIE MEISTEN DENKEN AUCH, DASS DU EINE ESSSTÖRUNG HAST, UND ZWAR AUS PURER EITELKEIT.
    ICH SEHE AUS WIE EIN SKELETT.
    DAS FINDE ICH AUCH, UND ICH SEHE, WIE DU AN DEINEM ESSEN HERUMWÜRGST.
    DAS LIEGT AN DER STASIS-ERSCHÖPFUNG.
    OH JE. DAS TUT MIR LEID.
    BEI MIR STIMMT SO EINIGES NICHT. ALLE MEINE ORGANE WEHREN SICH, WEIL SIE SO LANGE UNTÄTIG WAREN. MAN HAT MIR GESAGT, DASS MIR NANOBOTS EINGESETZT WURDEN, DAMIT MEINE NIEREN WEITER FUNKTIONIEREN UND MEIN HERZ MUNTER SCHLÄGT.
    QUIN HAT AUCH EIN PAAR VON DEN DINGERN IN SICH. MAN HOFFT, SIE HERAUSNEHMEN ZU KÖNNEN, SOBALD ER ALT GENUG IST. WAHRSCHEINLICH UM DIE ZEIT UNSERER EMANZIPATION HERUM.
    WANN WIRD DAS SEIN?
    MIT EINUNDZWANZIG.
    WARUM BRAUCHT ER DENN NANOS ZUR ORGANERHALTUNG?
    WIR STARBEN ZUHAUF. SIE HABEN SICH DURCHAUS BEMÜHT, UNS AM LEBEN ZU ERHALTEN. DIE HÄLFTE DER MINDERINTELLIGENTEN
BRAUCHT EBENFALLS ERHALTUNGSNANOS, VOR ALLEM, DA SIE ES NICHT RICHTIG AUSDRÜCKEN KÖNNEN, WENN IHNEN ETWAS WEHTUT.
    IST IHR LEBEN SEHR SCHWER?
    MAN VERSUCHT, ES LEBENSWERT FÜR SIE ZU MACHEN. WIR BESUCHEN SIE AN DEN WOCHENENDEN, FÜR EINE STUNDE ODER SO. SIE MÖGEN UNS, BESONDERS TRISTAN UND MICH, WEIL WIR IHNEN SCHÖNE BILDER IM KOPF ZEIGEN KÖNNEN UND SO WAS. Pause. LICHT AUS. JAMAL IST MAL WIEDER EIN SPROCK.
    OKAY, GUTE NACHT.
    GUTE NACHT, DORNENROSE.
    Ich lächelte. Der Name »Dornenrose« gefiel mir allmählich.



T rotz meines Vorsatzes, fleißiger zu lernen, laugte mich die Schule weiterhin aus, geistig und körperlich. Ich gab mir auch keine richtige Mühe. Den größten Teil des Tages verschwand ich in meinen Skizzenbüchern und in meinem Atelier und wachte in der Schule nur in Geschichte auf, wenn ich Bren und seine funkelnden grünen Augen in mich aufsaugen konnte.
    Schon wenn ich ihn nur irgendwo im Gang sah, stieg meine Laune, als wäre ein