Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)
um, und singe laut ein fröhliches Lied, damit dich eventuelles Überredungsgeschrei oder Geschimpfe nicht mehr bremsen kann. Lauf einfach! Immer weiter!! Lauf!!!
Das Grauen des langen Tages und der langen Nacht, die ein solch komplett unvorbereiteter Umzug heraufbeschwört, ist keine Freundschaft wert. Erst recht, wenn man vom ersten Moment an sieht, dass noch gar nichts aussortiert wurde. All die Möbel der großen alten Wohnung also keinesfalls in die kleine neue reinpassen werden. Die richtig große Katastrophe mithin ganz zum Schluss kommen wird, weil da dann jeder Umzugshelfer noch irgendwelche Möbel des Umziehenden mit zu sich nach Hause nehmen muss.
Doch leider bin ich extrem lauffaul und eine treue Seele. Da ich gleichzeitig das Entsetzen, die Mutlosigkeit und die tiefe Müdigkeit in den Gesichtern der anderen Helfer sah, beschloss ich, mich nicht feige aus der Verantwortung zu stehlen, sondern eine bessere, erwachsenere Lösung für unser Problem zu suchen. Es brauchte nur ein Signal, eine starke, symbolische Aktion, die alle mitriss. Daher sagte ich betont energiegeladen: «Na, dann wollen wir mal!», und um bei allen anderen auch das Feuer meines Tatendrangs zu entfachen, marschierte ich direkt zur größten Aufgabe eines jeden Umzugs, dem Symbol schlechthin, und verkündete: «Also ich kümmere mich dann mal um die Waschmaschine!»
Was für ein Coup. Damit hatte niemand gerechnet. Ich bin normalerweise wahrlich nicht der Typ «Waschmaschine» bei Umzügen. Ich bin eher so der Typ «Pflanzen» und vielleicht noch «Nicht so schwere, aber dafür sperrige Gegenstände», im Grunde aber doch am meisten der Typ «Ich geh dann mal vor und halte die Türen auf». Muss ja auch einer machen. Wenn also jemand wie ich direkt auf die Waschmaschine zugeht, dann motiviert das alle, reißt sie mit, versetzt sie in einen regelrechten Umzugsrausch. So auch hier. Plötzlich füllte jeder Kartons, baute Regale auseinander oder wickelte Geschirr in Zeitungen. Totale Aufbruchstimmung. Dermaßener Aufbruch, dass ich fast schon wieder ein schlechtes Gewissen hatte, als ich nach einem kurzen Zerren an der Waschmaschine wie geplant zusammensank und einen eingeklemmten Nerv simulierte.
Mein Plan war so einfach wie genial. Ich konnte die Freundschaft bewahren und mich trotzdem in Sicherheit bringen. Mit einem eingeklemmten Nerv rennt man eben nicht feige vor einem Umzug davon. Damit kann man erhobenen Hauptes gehen. Also im übertragenen Sinne. Tatsächlich geht man natürlich gebeugt, wacklig und ziemlich langsam. Klar, sonst würde der Schwindel ja auffliegen. Ich habe allerdings schnell gemerkt, dass mir gebeugtes, wackliges Gehen nicht mal schwerfiel. Im Gegenteil, sogar authentisch weinen konnte ich ohne größere Anstrengung. Denn das war wohl der einzige Schwachpunkt meines ansonsten brillanten Schachzugs: dass ich wirklich an dieser Waschmaschine rumgewuchtet habe, ohne mich warm zu machen. Jetzt war nicht nur ein Nerv eingeklemmt. Der ganze Rücken war durch. Komplett durch. Zumindest fühlte es sich so an. Und obwohl mein Rücken im Arsch war (im übertragenen Sinne natürlich, wobei, so wie es sich anfühlte, vielleicht auch tatsächlich anatomisch, geschmerzt hat in jedem Fall alles vom Steiß bis zu den Ohrläppchen), hat mir das Ganze niemand geglaubt. Im Gegenteil, Peter war richtig sauer. Zumal sich alle anderen, als sie meine scheinbar raffinierte Taktik sahen, plötzlich auch irgendwelche Nerven eingeklemmt oder Muskeln gezerrt haben.
Doch das alles wäre nicht mal so schlimm gewesen. Wirklich bitter wurde es in dem Moment, als mir Peter, während ich jammernd, weinend, leidend mit kaputtem Rücken missachtet auf den kalten, harten Fliesen seines Badezimmers lag, mitteilte: «Ach, weißte, die Waschmaschine bleibt eigentlich hier in der Wohnung, die übernimmt der Nachmieter. Du warst nur grad so schön in Schwung, da wollte ich dich nicht bremsen.» Erst diese Information entließ mich in die Welt des Schmerzes mit der Wucht des Sinnlosen, die jede Aussicht auf Trost und Linderung dahinschmelzen lässt wie einen Eiswürfel unter einer Herrenachsel im Sommer.
Mein Taxifahrer erklärt
Sitze im Taxi auf dem Weg zum Bahnhof. Bemühe mich, eine SMS zu schreiben, kann mich aber nicht gut konzentrieren, denn mein Taxifahrer spricht die ganze Zeit. Allerdings nicht mit mir. Auch nicht in die Freisprechanlage seines Telefons. Nein, er spricht mit anderen Verkehrsteilnehmern draußen auf der Straße. Autofahrern,
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