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Wärst du doch hier

Wärst du doch hier

Titel: Wärst du doch hier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Swift
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etwas, das sich jetzt, ihretwegen, als Fehlinvestition herausstellen könnte. Und er würde zweifellos sagen, dass er alles nur für sie getan habe, weil sie gleich von Anfang an so sehr in das Haus vernarrt gewesen sei.
    Andererseits könnte er auch   – sie kannte ihren Mann gut   – eiskalt und pragmatisch sein. So ging er mit allem um, das schief lief. Er hatte, wie sie wusste, einen Jahresbonus dafür hergegeben, das Haus zu kaufen, und einen zweiten, um es zu renovieren. Wenn sie das Haus wirklich aufgeben mussten (wenn sie
wirklich
dieses Gefühl hatte), dann wären sie immerhin nicht bankrott. (Er war Banker.) Und in Anbetracht der Preisentwicklung konnten sie bei einem Verkauf immer noch einen kleinen Gewinn einstreichen.
    »Kein dauerhafter Schaden«, könnte er sagen   – aber vielleicht würde er durchblicken lassen, dass
sie
dauerhaft beschädigt sei. Was hatte sie bloß? Und solche Großzügigkeit könnte auch, das wusste sie, nichts weiter als geschickte Taktik sein. Er konnte es sich leisten, entgegenkommend zu sein. In der Anfangsphase der Bauarbeiten hatte er ihr teures Projekt als eine Art Schutzschild für seine Affäre mit Martha, seiner Assistentin, benutzt (die allerdings bei Ende der Baumaßnahmen in eine gehobenere Position aufgestiegen war). Es lenkte die Aufmerksamkeit ab und so fiel nicht weiter auf, dass Clare häufig mit den Kindern in Devon war, und er nicht. Andererseits war es eine Art Entschädigung. Schließlich konnte sie sich nicht beklagen, wo er doch seine Familie so großzügig behandelte.
    Clare fragte sich auch, ob der Augenblick   – ihr »Schauder«, wie sie es nannte   – in Wirklichkeit nicht mit der unterdrücktenErkenntnis zu tun hatte, dass die Sache mit Martha mehr als nur eine vorübergehende Tändelei war (sie zog sich hin, so wie die Bauarbeiten), und dass ihre Ehe, obwohl sie dieses solide und schöne Stück der Landschaft gekauft hatten, doch eher eine dürftige und lieblose Angelegenheit war. Sie tat so, als wäre das nicht der Fall, und die meiste Zeit glaubte sie es sogar. Den Kindern zuliebe, natürlich, aber auch, weil sie mit diesem aufwendig renovierten und eingerichteten Farmhaus in seiner wunderschönen Landschaft bestochen worden war.
     
    Zum Glück blieb es bei dem einzelnen »Augenblick«, sodass es nicht zu einer dieser schrecklichen Auseinandersetzungen   – mit ihrem Mann oder mit sich selbst   – kommen musste. Als Jack am Tor stand, waren die Robinsons immer noch Besitzer des Hauses, wenn sie auch in dem Moment nicht da waren. Toby und Clare blieben verheiratet (die Sache mit Martha ging jedoch weiter). Die drei Kinder   – zur Zeit des Hauskaufs waren es nur zwei   – hatten inzwischen mehrere glückliche Sommer auf der Jebb Farm verbracht. Ihre Eltern ebenfalls.
    Clare versteckte ihre Gefühle und fand ebenfalls zu einer pragmatischen Haltung. Sie würde, bevor sie irgendeine törichte Äußerung machte, darauf warten, dass ihr »Schauder« sich wiederholte. Das war nicht der Fall, was vielleicht bedeutete, dass es von Anfang an Unsinn war. Zeit war ins Land gezogen, und in Abwesenheit weiterer Symptome war es ihr beinahe möglich gewesen, bis vor Kurzem wenigstens, ihre einmal aufgetretene, vielleicht eingebildete Unpässlichkeit zu vergessen.
    Und was sie vor Kurzem erlebt hatte, war eigentlich etwas ganz anderes als der erste Schauder. Es war zunächst einmal ein Brief, ungeöffnet, der nichts mit ihr zu tun hatte. Sie waren während der Herbstferien der Kinder im Jebb House gewesen. Der Guy Fawkes Day fiel in diese Zeit, und Toby hatte aus dem Feuerwerk ein großes Spektakel gemacht. Dann war der Brief eingetroffen, den nur sie gesehen und, mit der neuen Adresse versehen, schnell weitergeschickt hatte. Auf der Jebb Farm bekamen sie nur selten Post, und so gut wie gar keine, die mit dem früheren Besitzer zu tun hatte, aber auf diesem Brief hatten der Name Luxton sowie die Wörter »Ministry of Defence« gestanden.
    Sie hatte sich gefragt, worin wohl die Verbindung mit der seit Langem aufgegebenen Farm bestand, hatte sich aber gewissenhaft verpflichtet gefühlt, den Brief sofort weiterzuschicken. Sie hatte die Adresse durchgestrichen, die von der Isle of Wight (in der Annahme, dass sie noch gültig war) draufgeschrieben und war unter dem Vorwand, etwas erledigen zu müssen, nach Marleston gefahren, um den Brief nachzusenden. Vielleicht war es ihr, aus irgendeinem merkwürdigen Grund, ein Anliegen, den Brief möglichst

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