Wagner und Cordes 05 - Mord im Nebel
Vorbereitungshektik ein paar Minuten für sich und allein sein. Da war die O-Messe genau richtig, denn da alle Bänke, Stühle und Tische derzeit demontiert waren, würde ihn hier niemand suchen.
Wie immer, wenn es wieder auf See ging, überschlugen sich die Ereignisse.
Letzte Instandsetzungen waren durchgeführt worden, schiefgegangen und mussten nachgebessert werden. Die Ausrüstung mit Munition, Proviant und Kantinenwaren hatte sich verzögert. Der Zoll wollte die Lager- und Verschlussmöglichkeiten der Zollwaren prüfen, die Flottillenführung hatte kurzfristig noch eine ABC -Abwehrüberprüfung für die Besatzung anberaumt, und das Schiff musste zur Vermessung des Magneteigenschutzes noch durch die Kaiser-Wilhelm-Brücke in den Nordhafen fahren.
Als Zweiter Navigationsoffizier hatte Volker Wilken mehr oder weniger mit jedem dieser Ereignisse zu tun und mal kurz rausgemusst aus der Hektik. Jetzt trank er in der leeren Offiziersmesse seinen Kaffee aus dem Thermobecher und sah einfach hinaus. »Bootsmannsprüfung« nannten das die Alten: aufs Meer sehen und nicht denken.
Bald würde es wieder richtig hektisch werden, wenn es hieß »Leinen los!« und die Fregatte »Jever« Kurs auf Afrika nahm, um vor der Küste Somalias im Rahmen der EU -Antipiraterieoperation ATALANTA für Sicherheit zu sorgen.
Genau wie er freuten sich viele seiner Kameraden auf die Herausforderung – auf schwierige Manöver und die Möglichkeit, mutmaßliche Piraten so zu beeindrucken, dass sie Geiseln wieder gehen ließen. Freuten sich auf die Jagd nach denen, die glaubten, außerhalb des Gesetzes und des normalen menschlichen Verhaltens zu stehen, denn mit der Anzahl der Piraten stieg auch deren Brutalität.
Der Hauptauftrag der Mission ATALANTA bestand im Escort von Schiffen des Welternährungsprogramms und sämtlicher der UN -Operation AMISON zugehörigen Schiffe, aber natürlich auch im Schutz aller anderen Handelsschiffe. Nie im Leben hätte Volker, der als Kind Piratengeschichten mit romantischem Touch geliebt und verschlungen hatte, gedacht, dass er einmal einem EU -Verbund angehören würde, der gegen Piraten vorging. Bei einem Einsatz mussten sie jeden Tag damit rechnen, einem Frachtschiff zu Hilfe eilen zu müssen.
Das Telefon, einer dieser altmodischen grauen Apparate mit Kabel, klingelte. Er nahm ab.
»Zwo NO .«* [* Zweiter Navigations-Offizier]
»Ich bin’s. Wusste ich doch, dass ich dich da erreiche«, hörte er die aufgeregte Stimme seines Kameraden Malte Kleen sagen. »Hast du es schon gehört?«
»Gehört? Was denn?« Volker rieb sich mit dem Daumen seiner linken Hand die Nase.
»Fabian ist tot.«
»Fabian?« Volker riss die Augen auf. »Was ist passiert?«
»Keine Ahnung. Hab’s von Michael. Dessen Schwester arbeitet bei dem Bestattungsunternehmen, das Fabian abtransportiert hat. Man hat ihn heute früh beim Molenfeuer gefunden. Er muss schon Stunden dort gelegen haben.«
»Beim Molenfeuer? Was hat er denn da gemacht? Ich dachte, der wäre gestern genau wie wir nach Hause gefahren. Du hast doch noch mit ihm zusammengestanden und geraucht. Hat er gesagt, dass er noch zum Molenfeuer wollte? Was ist passiert?« Volker nahm den Telefonhörer in die linke Hand und fuhr sich mit der rechten durch die Haare.
»Nein. Ich hab keine Ahnung, was passiert ist. Michaels Schwester hat nur gesagt, dass er tot ist.«
»Ob er überfallen wurde? Erstochen? Das liest man doch immer wieder. Aber so viel getrunken, dass er besoffen ins Wasser gefallen ist, hat er nicht. Er hat bestimmt nicht mehr gehabt als wir.«
»Wie gesagt, ich weiß es nicht.« Malte machte eine Pause. Als er weitersprach, schwang in seiner Stimme ein eigenartiger Unterton mit. »Er hat doch gestern noch telefoniert. Draußen.«
»Stimmt.« Jetzt fiel es Volker wieder ein. »Er hat irgendwem gesagt, dass er gerade am Nassauhafen ist.«
»Vielleicht sollten wir erst mal nicht darüber reden, dass wir mit ihm zusammen im Seglerheim waren.«
»Wieso? Wem denn?«
»Na, allgemein.«
»Das verstehe ich nicht. Wir haben was gegessen und ein paar Bierchen getrunken, da ist doch nichts dabei.«
»Hör mal. Es kann sein, dass du und ich die Letzten waren, die ihn lebend gesehen haben.«
»Ja, aber dann müssen wir es doch gerade sagen.«
»Du kapierst aber auch gar nichts!« Malte klang wütend.
Der Gedanke, der nun in Volker aufblitzte, gefiel ihm nicht. »Sag bloß, es war überhaupt kein Unfall.«
»Wie gesagt, ich hab keine Ahnung. Ich finde nur, es
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