Wagner und Cordes 05 - Mord im Nebel
sie wieder mal in einen riesigen Fettnapf getreten war. Christine hatte keine Kinder, hätte aber gern welche gehabt. Umso schwerer hatte es sie getroffen, dass aus einer Affäre ihres Exmannes ein Sohn hervorgegangen war, der inzwischen etwas über ein Jahr alt war. »Tschuldigung. Ich hab nicht nachgedacht.«
»Schon gut.« Christine hatte sich wieder in der Gewalt. »Ich denke, statt hier weiter rumzustöbern, sollten wir uns lieber die Genehmigung der Eltern holen und Manssen und seine Truppe das erledigen lassen. Was meinst du?«
»Ja. Vielleicht lassen sich ein paar Anhaltspunkte finden, mit wem Fabian Baumann Zoff hatte. PC und so. Bestimmt war der auch bei Facebook. Da sind sie ja heute alle. Da kann man ’ne Menge über die Leute erfahren, sagt Alex immer. Manchmal erzählt er mir Sachen, das glaubst du nicht. Da merkt man, dass die überhaupt nicht auf dem Schirm haben, dass das, was sie da posten, auch andere lesen können.«
»Glaubst du wirklich, Fabian Baumann hat sich auf Facebook ausgetobt? Der war doch kein Kind mehr.«
»Natürlich nicht. Aber einen Versuch ist es allemal wert. Und ohne Handy … Schauen wir mal, was die KT hier findet.«
»Wenn die Eltern einverstanden sind.«
Oda sah sie an und zwinkerte. »Wenn nicht, müsstest du deinen Herrn Staatsanwalt bitten, eine richterliche Verfügung zu beantragen.« Sie sah, wie Christine bei der Bezeichnung »dein Staatsanwalt« protestieren wollte, ließ sie aber erst gar nicht zu Wort kommen. »Ich möchte mir noch das Bad angucken, bevor wir runtergehen.«
* * *
Lutz Baumann war wütend. Zutiefst traurig, aber auch wütend. Er wunderte sich selbst darüber, dass er nicht in dieselbe Dunkelheit und Apathie fiel, die seine Frau gleich nach dem Aufbruch der Polizei gepackt hatte. Er jedenfalls empfand eine Wut wie nie zuvor in seinem Leben.
Irgendjemand hatte Streit mit Fabian gehabt. Gut. So was kam vor. Auch dass dieser Streit wie unter Männern ausgefochten worden war, tolerierte er. Das gehörte manchmal dazu, er selbst kannte es aus seiner Zeit als Mitglied einer studentischen Verbindung. Natürlich gab es da immer auch einiges, was nicht ans Licht der Öffentlichkeit dringen durfte. Man testete Grenzen aus, war aber im Gegenzug auch füreinander da und entschied Zwistigkeiten unter sich. Dass Fabians Gegner nach dem Unfall nicht einmal den Notarzt gerufen hatte, machte ihn rasend. Er überlegte, ob er seine berufliche Position nutzen sollte, Informationen zu bekommen, die ihn weiterbringen würden. Zu irgendwas musste das Netzwerk, das er geknüpft hatte, doch taugen.
Das Telefon klingelte. Suchend sah Baumann sich um. Ute würde nicht drangehen, sie lag, durch Beruhigungsmittel aus dem Verkehr gezogen, im Bett.
»Saskia?«
Er erhielt keine Antwort. Auch seine Tochter schien nicht in der Nähe zu sein, sicher war sie bei ihrer Mutter. Er lief in die großzügige Diele, deren schwarze Marmorfliesen sein einziger Beitrag zur Innenausstattung des Hauses gewesen waren und die er bewusst als Gegenpol zu Utes Weiß-Wahn ausgesucht hatte. Der Apparat lag auf dem kleinen Mahagonitischchen unter dem Spiegel. Die Nummer auf dem Display sagte ihm nichts. Einen Moment lang überlegte er, ob er das Gespräch überhaupt annehmen sollte, doch dann fiel ihm ein, dass es ja auch Neuigkeiten von der Polizei geben könnte. Schnell drückte er die grüne Taste.
»Baumann.«
»Fabian?« Eine unsichere Frauenstimme.
»Nein, hier spricht sein Vater. Wer ist denn da?« Es kam Baumann direkt unwirklich vor, einen Menschen am anderen Ende der Leitung zu haben, der noch nicht wusste, dass Fabian tot war. Der noch in einer anderen, einer heileren Welt lebte.
»Hier ist Katharina. Ich bin eine Kameradin Ihres Sohnes. Hab ich ’ne falsche Nummer gewählt? Ich hab ihn sonst immer direkt am Apparat.«
Katharina? Der Name sagte ihm nichts. Aber das hatte nichts zu bedeuten. Privatsphäre war im Hause Baumann immer schon großgeschrieben worden, deswegen hatten sowohl Fabian als auch Saskia ihren eigenen Telefonanschluss.
»Nein, es ist schon die richtige Nummer. Aber wenn er oben nicht abnimmt, läuft das Gespräch nach sechsmaligem Läuten bei uns auf.«
»Ach so. Na, wenn er nicht zu Hause ist, rufe ich ihn einfach auf dem Handy an.«
»Sie wissen es also noch nicht?«
»Was weiß ich noch nicht?« Die Stimme der jungen Frau klang verhalten.
»Fabian ist tot.« Diese drei Worte waren das Grauenhafteste, was Baumann je in seinem Leben gesagt hatte. Mit
Weitere Kostenlose Bücher