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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Krippe hat Julias und mein Büro angerufen. Sie war natürlich hysterisch, hat bloß verrücktes Zeug gebrabbelt. Julia ist sofort aus dem Büro gestürzt, hat sich ins Auto gesetzt und ist losgerast. Keine halbe Meile vom Krankenhaus entfernt ist sie frontal mit einem Fahrzeug der städtischen Straßenreinigung zusammengestoßen. Sie war sofort tot. Zu diesem Zeitpunkt war unsere Tochter vermutlich seit ungefähr zwanzig Minuten tot. Das Marienmedaillon, das du für mich aufbewahrt hast... das hat Julia gehört.«
    Er verfiel in Schweigen, das längere Zeit anhielt. Ich schwieg ebenfalls; zu einer Geschichte dieser Art gibt es nichts zu sagen. Nach längerer Zeit sprach er weiter.
    »Nur eine andere Version von Powerball. Fünf Zahlen und die alles entscheidende Zusatzzahl. Klick, klick, klick, klick, klick. Und dann zu guter Letzt noch klack. Hatte ich jemals geglaubt, dass mir so was zustoßen könnte? Nein, muchacho , nicht einmal in meinen wildesten Albträumen, und Gott lässt uns für das büßen, was wir uns nicht vorstellen können. Meine Mutter und mein Dad haben mich dringend gebeten, eine Therapie zu machen, und eine Zeit lang - acht Monate nach der Beerdigung - bin ich tatsächlich zu einem Therapeuten gegangen. Ich hatte es satt, durchs Leben zu gehen wie ein einen Meter über meinem Kopf schwebender Ballon.«
    »Dieses Gefühl kenne ich«, sagte ich.
    »Ja, ich weiß.Wir sind zu unterschiedlichen Zeiten in die Hölle eingecheckt, du und ich. Und wieder ausgecheckt, wie ich vermute, obwohl meine Absätze noch immer qualmen. Wie sieht’s mit dir aus?«
    »Genauso.«
    »Der Therapeut … ein netter Mann, aber ich konnte nicht mit ihm reden. In seiner Gegenwart war ich sprachlos. In seiner Gegenwart habe ich viel gegrinst. Ich habe darauf gewartet, dass eine hübsche Blondine im Badeanzug aus meiner Scheckimitation aus Pappe steigt. Das Publikum würde sie sehen und applaudieren. Und irgendwann kam tatsächlich ein Scheck. Nach unserer Hochzeit habe ich eine gemeinsame Lebensversicherung abgeschlossen. Als dann Ez unterwegs war, habe ich sie aufgestockt. So habe ich wirklich in der lotería gewonnen. Erst recht, wenn man Julias Entschädigung nach dem Parkplatzunfall hinzuzählt. Womit wir hierbei wären...«
    Er hielt die dünne graue Mappe hoch.
    »Der Gedanke an Selbstmord hat mich umkreist, ist näher und näher gekommen. Reizvoll war er vor allem wegen der Vorstellung, Julia und Esmeralda warteten vielleicht dort draußen auf mich... würden aber unter Umständen nicht ewig warten. Ich bin kein konventionell gläubiger Mann, aber ich halte es zumindest für möglich, dass es ein Leben nach dem Tod gibt und wir als... du weißt schon, als wir selbst weiterleben. Aber natürlich …« Ein frostiges Lächeln hob seine Mundwinkel. »Vor allem war ich einfach deprimiert. In meinem Safe lag eine Pistole Kaliber.22. Die hatte ich nach Esmeraldas Geburt gekauft, um mein Haus schützen zu können. Eines Abends habe ich mich mit der Waffe in der Hand an den Esszimmertisch gesetzt … aber diesen Teil der Geschichte kennst du vermutlich, muchacho .«
    Ich machte eine unbestimmte Handbewegung, die vielleicht sí, vielleicht no heißen konnte.
    »Ich habe mich in meinem leeren Haus an den Esstisch gesetzt. Auf dem Tisch stand eine Obstschale - eine kleine Aufmerksamkeit der Nachbarin, die immer für mich eingekauft hat. Ich legte die Pistole auf den Tisch und schloss die Augen. Dann ließ ich die Obstschale ein paarmal kreisen. Erwischte ich einen Apfel, wenn ich zugriff, würde ich mir die Pistole an die Schläfe setzen und mein Leben beenden. War’s jedoch eine Orange... dann würde ich meinen Lotteriegewinn nehmen und nach Disney World fahren.«
    »Du konntest den Kühlschrank hören«, sagte ich.
    »Richtig«, sagte er, ohne überrascht zu sein. »Ich konnte den Kühlschrank hören - das Summen des Motors ebenso wie das Klacken des Eismachers. Ich habe die Hand ausgestreckt... und einen Apfel erwischt.«
    »Hast du gemogelt?«
    Wireman lächelte. »Eine berechtigte Frage. Wenn du damit meinst, ob ich ein bisschen geblinzelt habe, lautet die Antwort nein. Wenn du damit meinst, ob ich mir die Verteilung des Obsts in der Schale gemerkt habe...« Er zuckte mit den Schultern. » ¿Quién sabe? Jedenfalls hielt ich einen Apfel in der Hand: ›Seit Adams Fall, Sünder wir all.‹ Ich brauchte nicht hineinzubeißen oder daran zu riechen; seine glatte Schale war Beweis genug. Ohne die Augen zu öffnen - oder mir eine

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