Wahn - Duma Key
Feststellung meiner Zurechnungsfähigkeit. Ich begann daran zu zweifeln, dass ich wirklich abgedrückt hatte.Wahrscheinlich war ich am Esstisch eingeschlafen, hatte nur daran gedacht , mich zu erschießen, war vom Stuhl gefallen und hatte mir den Kopf angeschlagen. Daher kam das Blut. So musste es gewesen sein, denn schließlich konnte ich mich bewegen und auch sprechen. Ich drängte mich dazu, noch etwas zu sagen. Zum Beispiel den Namen meiner Mutter. Stattdessen sagte ich: ›Wo die Geldfrucht gedeiht, ist der Grundherr nicht weit.‹«
Ich nickte aufgeregt. Nachdem ich aus dem Koma aufgewacht war, hatte ich unzählige solcher Erlebnisse gehabt. Setz dich auf den Freund , den Kumpel .
»Warst du wütend?«
»Nein, heiter! Erleichtert! Mit einer leichten Orientierungslosigkeit nach einem Schlag auf den Schädel konnte ich leben. Erst dann sah ich die Pistole auf dem Fußboden liegen. Ich hab nach ihr gegriffen und an der Mündung gerochen. Der beißend scharfe Geruch einer vor Kurzem abgefeuerten Waffe ist unverkennbar.Trotzdem blieb ich bei meiner Eingeschlafen-und-den-Kopf-angeschlagen-Idee, bis ich ins Bad kam und das Loch in meiner Schläfe sah. Ein kleines rundes Loch mit einer Korona aus Schmauchspuren.«
Er lachte wieder, wie es Leute tun, die sich an ein besonders dämliches Versehen erinnern - zum Beispiel dass sie beim Zurücksetzen das Garagentor gerammt haben, weil sie vergessen hatten, es zu öffnen.
»Da habe ich die letzte Zahl klickend einrasten gehört, Edgar - die Powerball-Zahl! Und ich wusste, dass ich trotz allem doch nach Disney World kommen würde.«
»Oder in eine gute Kopie«, sagte ich. »Himmel, Wireman.«
»Ich habe versucht, die Schmauchspuren abzuwaschen, aber das Herumreiben mit demWaschlappen war zu schmerzhaft. Wie wenn man auf einen entzündeten Zahn beißt.«
Plötzlich begriff ich, weshalb sie ihn geröntgt hatten, statt ihn in den Kernspintomografen zu schieben. Die Kugel steckte noch in seinem Schädel.
»Wireman, kann ich dich etwas fragen?«
»Klar doch.«
»Sind die Sehnerven eines Menschen... ich weiß nicht … irgendwie über Kreuz angeordnet?«
»Das sind sie in der Tat.«
»Deshalb ist dein linkes Auge beeinträchtigt. Das ist wie … wie...« Das Wort fiel mir nicht gleich ein, und ich ballte die Fäuste. Dann war es da. »Wie ein Schleudertrauma.«
»Ich denke schon, ja. Ich habe mich in die rechte Seite meines blöden Schädels geschossen, aber es ist mein linkes Auge, das es erwischt hat. Ich habe ein Pflaster auf das Loch geklebt. Und zwei Aspirin genommen.«
Ich lachte. Ich konnte nicht anders. Wireman nickte lächelnd.
»Dann habe ich mich ins Bett gelegt und zu schlafen versucht. Aber ich hätte ebenso gut versuchen können, inmitten einer Blaskapelle zu schlafen. Ich konnte vier Tage lang nicht mehr schlafen. Ich dachte schon, ich würde niemals wieder Schlaf finden. Mein Verstand war mit doppelter Überschallgeschwindigkeit unterwegs. Im Vergleich dazu wäre einem Kokain wie Xanax vorgekommen. Ich konnte nicht mal lange still daliegen. Nach ungefähr zwanzig Minuten bin ich aufgesprungen und habe eine Mariachi-Platte aufgelegt. Inzwischen war es halb sechs Uhr morgens. Ich habe eine halbe Stunde auf dem Hometrainer gesessen - zum ersten Mal, seit Julia und Ez gestorben waren - und bin dann ins Büro gefahren.
Die folgenden drei Tage liefen nach demselben Muster ab: Ich war ein Vogel, ich war ein Flugzeug, ich war Superanwalt. Meine Kollegen waren erst besorgt um mich, dann hatten sie Angst um mich, und zuletzt hatten sie Angst vor mir - meine unlogischen Antworten wurden immer schlimmer, genauso wie meine Tendenz, in Pidgin-Spanisch und eine Art Pepé-Le-Pew-Französisch zu verfallen -, trotzdem steht außer Zweifel, dass ich in dieser Zeit einen ganzen Aktenberg bearbeitet habe, von dem nur sehr wenig zurückgekommen ist. Das habe ich später kontrolliert. Die Partner in den Eckbüros und die Anwälte in den Schützengräben waren alle der Überzeugung, ich hätte einen Nervenzusammenbruch erlitten, und in gewisser Hinsicht hatten sie damit recht. Dies war ein organischer Nervenzusammenbruch.Verschiedene Leute versuchten, mich nach Hause zu schicken, aber das gelang keinem. Dion Knightly, einer meiner guten Freunde in der Firma, flehte mich praktisch an, mich zu einem Arzt fahren zu dürfen. Weißt du, was ich ihm geantwortet habe?«
Ich schüttelte den Kopf.
»›Mais auf dem Feld, da gibt’s bald Geld.‹ Das weiß ich noch ganz genau.
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