Wahn - Duma Key
verstreut. Das Herrenhaus mit dem Säulenvordach war sogar umgeworfen. Elizabeth, die mit ihrer Captain-Bligh-Miene daneben im Rollstuhl saß, schien mich herauszufordern, ich solle es nur wagen, wieder Ordnung zu schaffen.
Wireman sprach dicht hinter mir und ließ mich zusammenzucken. »Wenn ich versuche, irgendeine Art Ordnung herzustellen, wirft sie alles wieder durcheinander. Sie hat schon einige auf den Boden geworfen und zerbrochen.«
»Sind sie wertvoll?«
»Manche schon, aber das ist nicht der springende Punkt. Wenn sie sie selbst ist, kennt sie jede einzelne Figur. Kennt und liebt sie. Sobald sie wieder zu sich kommt und fragt, wo Bo Peep ist... oder der Kohlenmann... muss ich ihr sagen, dass sie sie zerbrochen hat, und dann ist sie den ganzen Tag lang traurig.«
»Wenn sie wieder zu sich kommt.«
»Ja. Klar.«
»Ich denke, ich gehe wieder heim, Wireman.«
»Du willst malen?«
»Das ist der Plan.« Ich wandte mich der Unordnung auf dem Tisch zu. »Wireman?«
»Gleich hier, vato .«
»Wieso wirft sie alles durcheinander, wenn sie wie jetzt ist?«
»Ich denke... weil sie es nicht erträgt, zu sehen, was sie nicht ist.«
Ich begann mich umzudrehen. Er legte eine Hand auf meine Schulter.
»Mir wär’s lieber, wenn du mich jetzt nicht ansehen würdest«, sagte er. Seine Stimme klang kaum beherrscht. »Ich bin im Augenblick nicht ich selbst. Geh zur Haustür hinaus und durch den Innenhof zurück, wenn du den Strand entlanggehen willst. Tust du das für mich?«
Das tat ich. Und zu Hause angekommen, arbeitete ich an seinem Porträt weiter. Es war in Ordnung. Damit meine ich vermutlich, dass es gut war. Ich konnte sein Gesicht erkennen, das herauszukommen versuchte. Das aufzugehen begann. Es hatte nichts Besonderes an sich, aber das war gut so. Für den Gesamteindruck war es immer am besten, wenn nichts auffällig hervortrat. Ich war glücklich, das weiß ich noch. Ich hatte meinen inneren Frieden gefunden. Die Muscheln murmelten. Mein rechterArm juckte, aber nur schwach und sehr tief. Das auf den Golf hinausführende Panoramafenster war ein schwarzes Rechteck. Zwischendurch ging ich in die Küche hinunter und aß ein Sandwich. Ich stellte das Radio an und fand The Bone: J. Geils mit »Hold Your Loving«. J. Geils war nichts Besonderes, nur großartig - ein Geschenk der Rock-and-Roll-Götter. Ich malte weiter, und Wiremans Gesicht trat noch etwas deutlicher hervor. Es war jetzt ein Gespenst. Ein auf die Leinwand gebanntes Gespenst. Aber es war ein harmloses Gespenst. Würde ich mich jetzt umdrehen, stünde Wireman nicht oben an der Treppe, wo Tom Riley gestanden hatte, und drüben im Palacio de Asesinos würde die linke Hälfte von Wiremans Welt weiter dunkel sein; das waren Dinge, die ich einfach wusste. Ich malte. Das Radio lief. Unter dem Haus flüsterten die Muscheln.
Irgendwann hörte ich auf, duschte und ging ins Bett. Ich schlief traumlos.
Wenn ich an meinen Aufenthalt auf Duma Key zurückdenke, erscheinen mir diese Tage im Februar und März, in denen ich an Wiremans Porträt arbeitete, als die beste Zeit.
XVI Am nächsten Tag rief Wireman um zehn Uhr an. Ich war bereits an der Staffelei. »Störe ich?«
»Schon in Ordnung«, sagte ich. »Ich kann eine Pause brauchen.« Das war gelogen.
»Wir haben dich heute Morgen vermisst.« Eine Pause. »Na ja, du weißt schon. Ich habe dich vermisst. Sie ...«
»Ja«, sagte ich.
»Der Vertrag ist ein Schmusetanz. Es gibt so gut wie nichts daran auszusetzen. Er bestimmt, dass du mit der Galerie halbe-halbe machst, aber das werde ich noch einschränken. Sobald der Umsatz eine Viertelmillion überschreitet, sollte mit dem Fifty-fifty Schluss sein. Ab dann wird sechzig zu vierzig geteilt - zu deinen Gunsten, versteht sich.«
»Wireman, ich werde niemals eine Viertelmillion Umsatz mit Bilderverkäufen machen!«
»Ich hoffe, dass sie derselben Meinung sind, muchacho , deshalb werde ich vorschlagen, dass ab einer halben Million siebzig zu dreißig geteilt wird.«
»Plus ein Handjob von Miss Florida«, sagte ich mit schwacher Stimme. »Schreib das mit rein.«
»Notiert. Die andere Sache ist die Kündigungsfrist von hundertachtzig Tagen. Die sollte neunzig betragen. Ich sehe da kein Problem, aber die vorgeschlagene Laufzeit ist interessant. Sie haben Angst, eine große New Yorker Galerie könnte auf dich aufmerksam werden und dich ihnen wegschnappen.«
»Noch irgendwas in dem Vertrag, das ich wissen müsste?«
»Nein, und ich
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