Wahn - Duma Key
Bank of America oder ein besonders großer Schüler am Berufsberatungstag. Wireman, der Elizabeth im Rollstuhl schob, trug verblichene Jeans ohne Gürtel und ein weißes Leinenhemd mit rundem Kragen, das seine tiefe Sonnenbräune betonte. Er hatte sich das Haar glatt zurückgekämmt, und mir wurde erstmals bewusst, dass er eigentlich recht gut aussah - wie Harrison Ford Ende vierzig.
Aber es war Elizabeth, die ihnen die Schau stahl, Elizabeth, der dieser Beifall galt - sogar von den Neulingen, die keinen blassen Schimmer hatten, wer sie war. Sie trug einen Hosenanzug aus stumpfem schwarzem Leinen, lose und elegant. Ihr hochgestecktes Haar wurde von einem dünnen Haarnetz zusammengehalten, das im Licht der vielen Halogenleuchten wie mit Diamanten besetzt glitzerte. Um den Hals trug sie eine Elfenbeinschnitzerei an einer Goldkette, und an den Füßen hatte sie keine Frankenstein-Sneakers, sondern elegante Pumps in dunkelstem Scharlachrot. Zwischen Zeige- und Mittelfinger ihrer knotigen linken Hand hielt sie eine unangezündete Zigarette in einer aus Gold getriebenen Spitze.
Sie sah lächelnd nach links und rechts. Als Mary den Rollstuhl erreichte, hielt Wireman lange genug an, damit die jüngere Frau Elizabeth auf die Wange küssen und ihr etwas ins Ohr flüstern konnte. Elizabeth hörte zu, nickte, flüsterte ihrerseits etwas. Mary krächzte ein Lachen, dann tätschelte sie Elizabeth’ Arm.
Jemand drängte sich an mir vorbei. Das war Jacob Rosenblatt, der Buchhalter, der feuchte Augen und eine rote Nase hatte. Dario und Jimmy kamen gleich hinter ihm. Rosenblatt kniete sich neben ihren Rollstuhl, dass seine knochigen Knie wie Startpistolen knackten, und rief aus: »Miss Eastlake! Oh, Miss Eastlake, wir haben Sie so lange nicht mehr gesehen, und jetzt … oh, was für eine wundervolle Überraschung!«
»Danke, gleichfalls, Jake«, sagte sie und drückte seinen kahlen Schädel an ihren Busen. Dort liegend, erinnerte er an ein sehr großes Ei. »Gut aussehend wie Bogart!« Sie sah mich … und blinzelte mir zu. Ich blinzelte ebenfalls, aber es war nicht leicht, weiter fröhlich zu wirken. Sie wirkte ausgezehrt, trotz ihres Lächelns schrecklich erschöpft.
Wireman quittierte meinen fragenden Blick mit einem ganz winzigen Schulterzucken. Sie hat darauf bestanden, signalisierte es. Ich sah zu Jack hinüber, dessen Reaktion ähnlich ausfiel.
Der Buchhalter wühlte unterdessen in seinen Taschen. Endlich brachte er ein Zündholzbriefchen zum Vorschein, das so alt und abgenutzt aussah, als sei es über Ellis Island ohne Pass in die Vereinigten Staaten gelangt. Er klappte es auf, riss ein Zündholz heraus.
»Ich dachte, in allen öffentlichen Gebäuden sei das Rauchen heutzutage verboten«, sagte Elizabeth.
Rosenblatt kämpfte. Sein Gesicht lief von unten herauf rot an. Ich fürchtete fast, sein Kopf werde explodieren. Schließlich rief er aus: » Scheiß auf die Regeln, Miss Eastlake!«
»BRAVISSIMO!«, schrie Mary, indem sie lachend die Hände hochwarf, was mit weiterem Beifall quittiert wurde. ErneutenApplaus gab es, als Rosenblatt es endlich schaffte, das alte Zündholz aufflammen zu lassen, und es Elizabeth hinhielt, die ihre Zigarettenspitze zwischen die Lippen nahm.
»Wer ist sie in Wirklichkeit, Daddy?«, fragte Ilse halblaut. »Außer der kleinen alten Dame, die auf der Insel deine Nachbarin ist, meine ich.«
Ich sagte: »Wie man hört, war sie früher einmal die hiesige Kunstszene.«
»Ich verstehe nicht, weshalb ihr das das Recht gibt, unsere Lungen mit ihrem Zigarettenrauch zu verpesten«, sagte Linnie. Zwischen ihren Augenbrauen erschien wieder mal eine senkrechte Falte.
Ric lächelte. »Oh, chérie , nach den Bars, in denen wir …«
»Hier ist nicht dort«, sagte sie, wobei die Falte sich vertiefte, und ich dachte: Ric, du bist zwar Franzose, aber in Bezug auf diese spezielle Amerikanerin musst du noch viel lernen.
Alice Aucoin murmelte Dario etwas zu, der eine kleine Blechdose mit Altoids aus der Jackentasche zog. Er kippte die Pfefferminzpastillen in seine Handfläche und gab ihr die Dose. Alice gab sie Elizabeth, die sich bedankte und ihre Zigarettenasche hineinklopfte.
Pam beobachtete das alles fasziniert, dann wandte sie sich an mich. »Was hält sie von deinen Bildern?«
»Weiß ich nicht«, sagte ich. »Sie hat sie noch nicht gesehen.«
Elizabeth winkte mich zu sich heran. »Wollen Sie mich mit Ihrer Familie bekannt machen, Edgar?«
Das tat ich, indem ich mit Pam anfing und mit Ric
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