Wahn - Duma Key
Ellbogen fest.
»Bleib bei mir«, sagte ich. »Gemeinsam können wir alle Enterversuche abwehren. Allein bin ich wahrscheinlich um neun noch nicht bis zu Pam und den Mädchen vorgedrungen.«
Er lachte. Der alte Tommy sah gut aus. Er hatte seit jenem Tag am Lake Phalen ein paar Pfund zugelegt, aber ich hatte irgendwo gelesen, dass Antidepressiva häufig diese Nebenwirkung hatten, vor allem bei Männern. Etwas mehr Gewicht stand ihm gut. Er war nicht mehr so hohlwangig wie früher.
»Wie ist’s dir ergangen, Tom?«
»Nun... um ehrlich zu sein... ich war deprimiert.« Er hob eine Hand, wie um Mitgefühl abzuwehren, das ich nicht geäußert hatte. »Das Ganze hängt mit einem chemischen Ungleichgewicht zusammen, und es ist verdammt schwierig, sich an die Pillen zu gewöhnen. Sie lassen einen anfangs nicht mehr klar denken - zumindest war’s bei mir so. Ich hatte sie eine Zeit lang abgesetzt, aber jetzt nehme ich sie wieder, und das Leben sieht besser aus. Das kommt von den falschen Endorphinen, die Wirkung zeigen, oder dem Frühlingsanfang im Land der eine Milliarde Seen.«
»Und die Freemantle Company?«
»Sie heißt noch immer so und schreibt schwarze Zahlen, aber ohne dich ist es nicht mehr dieselbe Firma. Ich bin hier, weil ich dachte, ich könnte dich vielleicht zum Zurückkommen überreden. Dann habe ich gesehen, was du heutzutage machst, und kapiert, dass deine Zeit in der Baubranche vermutlich zu Ende ist.«
»Ja, das glaube ich auch.«
Seine Handbewegung umfasste die Gemälde im Hauptraum. »Was sind sie in Wirklichkeit? Ganz ohne Scheiß, meine ich. Weil sie - was ich nicht allzu vielen Leuten erzählen würde - mich daran erinnern, wie’s in meinem Kopf ausgesehen hat, als ich die Pillen abgesetzt hatte.«
»Sie zeigen nur eine Scheinwelt«, sagte ich. »Schatten.«
»Mit Schatten kenne ich mich aus«, erwiderte er. »Man muss nur aufpassen, dass sie nicht plötzlich Zähne kriegen. Das kann nämlich passieren. Wenn man dann nach dem Lichtschalter tastet, um sie verschwinden zu lassen, entdeckt man manchmal, dass der Strom ausgefallen ist.«
»Aber jetzt geht’s dir besser?«
»Ja«, sagte er. »Pam hat viel damit zu tun gehabt. Willst du etwas über sie hören, das du vermutlich schon weißt?«
»Klar«, sagte ich und konnte nur hoffen, dass Tom mir nicht anvertrauen wollte, dass sie manchmal tief hinten in der Kehle lachte, wenn sie kam.
»Sie besitzt jede Menge Verständnis, aber wenig Freundlichkeit«, sagte er. »Das ist eine verrückt grausame Kombination.«
Ich sagte nichts... aber nicht unbedingt, weil ich fand, dass er unrecht hatte.
»Sie hat mir vor nicht allzu langer Zeit eine ordentliche Standpauke darüber gehalten, dass man auf sich achtgeben muss, und die hat ins Schwarze getroffen.«
»Echt?«
»Echt. Und wenn ich ihren Blick richtig deute, hast du vielleicht auch eine Standpauke zu erwarten, Edgar. Ich denke, ich suche deinen Freund Kamen und plaudere ein bisschen mit ihm. Entschuldige mich bitte.«
Ric und die Mädchen standen vor Wireman blickt nach Westen und schwatzten angeregt miteinander. Pam dagegen stand auf etwa halber Strecke des Zyklus Mädchen mit Schiff , dessen Gemälde wie Filmplakate aufgehängt waren, und wirkte beunruhigt. Nicht ärgerlich, das nicht, aber beunruhigt. Verwirrt. Sie winkte mich zu sich heran, und als ich zu ihr kam, verlor sie keine Zeit.
»Ist die Kleine auf diesen Bildern Ilse?« Sie zeigte auf die Nr. 1 . »Ich dachte zuerst, diese Rothaarige soll die Puppe sein, die du nach deinem Unfall von Dr. Kamen bekommen hast, aber Ilse hatte als kleines Mädchen ein Tic-Tac-Toe-Kleid wie dieses. Ich hatte es bei Rompers gekauft. Und das hier …« Jetzt deutete sie auf die Nr. 3 . »Ich könnte schwören, dass dies das Kleid ist, das sie unbedingt für den ersten Schultag haben musste … das sie auch getragen hat, als sie sich am Abend nach den Stock Car Races ihren verdammten Arm gebrochen hat!«
Nun, da hatten wir’s wieder. Ich glaubte mich an einen Armbruch nach der Kirche zu erinnern, aber das war nur ein kleiner Ausrutscher im großen Tanz meiner Erinnerungen. Es gab wichtigere Dinge. Dazu gehörte, dass Pam auf einzigartige Weise befähigt war, die meisten Rauchschleier und Trugbilder zu durchschauen, die Kritiker gern als Kunst bezeichnen - zumindest in meinem Fall. In dieser Beziehung, vermutlich auch auf vielfältige andere Weise, war sie weiter meine Ehefrau. Offenbar würde letztlich erst die Zeit ein Scheidungsurteil
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