Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
ich sie fürchtete.
    »Ilse … Miss Cookie … du musst mir jetzt zuhören...«
    »Sag mir meinen Benutzernamen.« In ihrer Stimme lag jetzt eine gewisse entrüstete Schlauheit. »Sag mir meinen Benutzernamen, wenn du wirklich mein Daddy bist.«
    Und wenn ich das nicht tat, so viel war mir völlig klar, würde sie auflegen. Weil ihr etwas zugesetzt hatte. Etwas hatte sie genarrt, sie begrapscht, sie in ein Netz eingesponnen. Nur eben kein Etwas. Sie.
    Illys Benutzername.
    Er wollte mir im Augenblick einfach nicht einfallen.
    Sie schaffen das, sagte Kamen, aber Kamen war tot.
    »Du bist nicht... mein Daddy!«, sagte das verwirrte Mädchen am anderen Ende und war wieder kurz davor, den Hörer aufzulegen.
    Seitwärts denken, riet Kamen mir gelassen.
    Sogar dann, dachte ich, ohne zu wissen, warum ich das dachte. Selbst jetzt, selbst wenn …
    »Du bist nicht mein Daddy, du bist sie «, sagte Ilse. Mit dieser betäubten, schwerfälligen Stimme, die gar nicht wie ihre klang. »Mein Daddy ist tot. Ich hab es im Traum gesehn. Goodb…«
    »If so!«, rief ich laut, ohne mich darum zu scheren, ob ich Wireman aufweckte. Ich dachte nicht einmal an Wireman. »Du bist If-So-Girl!«
    Eine lange Pause am anderen Ende. Dann: »Wie lautet der Rest?«
    Ich spürte nochmals einen Augenblick lang diese schreckliche Leere, dann dachte ich: Alicia Keys, Keyboard, Klaviertasten …
    »Achtundachtzig«, sagte ich. »Du bist If-So-Girl88.«
    Es folgte eine lange, lange Pause. Sie schien endlos zu dauern. Dann fing Ilse an zu weinen.
     
     
     
     
     
     
    VII »Daddy, sie hat gesagt, du bist tot. Das war das Einzige, was ich ihr geglaubt habe. Nicht nur, weil ich’s geträumt hab, sondern weil Mama angerufen hat und gesagt, Tom ist tot. Ich habe geträumt, du seist traurig gewesen und ins Meer gegangen. Ich habe geträumt, du bist von der Unterströmung mitgerissen worden und ertrunken.«
    »Ich bin nicht ertrunken, Ilse. Mir fehlt nichts, das verspreche ich dir.«
    Ihre Geschichte kam bruchstückhaft und anfallartig heraus, immer wieder unterbrochen durch Tränen und Abschweifungen. Mir war klar, dass der Klang meiner Stimme sie zwar ein wenig stabilisiert, aber nicht kuriert hatte. Sie sprang gedanklich hin und her und schien keinerlei Zeitgefühl zu haben; sie sprach von der Ausstellung in der Scoto, als läge sie schon mindestens eine Woche zurück, und unterbrach sich einmal selbst, um mir zu erzählen, dass eine ihrer Freundinnen wegen »Cropping« verhaftet worden sei. Darüber musste sie wild lachen, als wäre sie bekifft oder betrunken. Als ich fragte, was »Cropping« bedeute, erklärte sie mir, das sei unwichtig. Sie sagte, vielleicht habe das sogar nur zu ihrem Traum gehört. Jetzt klang sie wieder fast nüchtern. Nüchtern … aber nicht in Ordnung. Ilse sagte, dass sie eine Stimme in ihrem Kopf sei, aber manchmal auch aus Waschbecken oder Spüle oder Toilette komme.
    Wireman kam irgendwann während unseres Gesprächs in die Küche, schaltete die Deckenleuchten ein und setzte sich mit seiner Harpune vor sich an den Tisch. Er sagte nichts, hörte sich nur meinen Part an.
    Ilse sagte, sie habe sich von dem Augenblick an, als sie ihre Wohnung wieder betreten hatte, eigenartig gefühlt - tatsächlich sagte sie »grausam-furchtsam«. Anfangs habe sie nur eine Art Benommenheit gespürt, aber bald auch Übelkeit wie an dem Tag auf Duma Key, an dem wir versucht hatten, auf der einzigen Straße das Südende der Insel zu erkunden. Alles sei schlimmer und schlimmer geworden. Eine Frau habe aus dem Waschbecken zu ihr gesprochen und ihr erklärt, dass ihr Vater tot ist. Ilse wollte daraufhin einen Spaziergang machen, um ihren Kopf auszulüften, sei aber gleich wieder umgekehrt.
    »Das muss an den Geschichten von diesem Lovecraft liegen, die ich für mein Projekt im letzten Schuljahr gelesen habe«, sagte sie. »Ich hatte das Gefühl, verfolgt zu werden. Von dieser Frau.«
    Nach ihrer Rückkehr hatte sie sich darangemacht, sich einen Haferbrei zu kochen, der ihren Magen vielleicht beruhigen würde. Aber allein von seinem Anblick, als er dick zu werden begann, wurde ihr wieder schlecht - bei jedem Umrühren schien sie darin Dinge zu sehen. Totenschädel. Die Gesichter schreiender Kinder. Dann ein Frauengesicht. Die Frau hatte zu viele Augen, sagte Ilse. Die Frau im Haferbrei sagte, ihr Vater sei tot und ihre Mutter wisse noch nichts davon, aber wenn sie es erfahren werde, werde sie ein Fest feiern.
    »Dann hab ich ein Schläfchen gemacht«,

Weitere Kostenlose Bücher