Wahn - Duma Key
sie mir selbst gelten, aber das konnten diese Leute nicht wissen.
Ich öffnete den Mund, um Worte hervorzustoßen, und machte ihn wieder zu.
Langsam, ganz langsam, dachte ich und wünschte mir, ich hätte Reba. Diese Leute hätten einen Künstler, der eine Puppe mit sich herumtrug, wahrscheinlich ganz normal gefunden. Schließlich hatten sie schon Andy Warhol erlebt.
Ganz langsam. Ich schaffe das.
»Damit will ich nur sagen, dass ich noch nicht lange arbeite und nicht weiß, wie so was abläuft.«
Hör auf, dir was vorzumachen, Edgar. Du weißt, wofür sie sich interessieren. Nicht für deine Bilder, sondern für deinen leeren Ärmel. Du bist Eddie, der einarmige Künstler. Warum machst du’s nicht kurz und forderst sie auf, sich zu verpissen?
Das war natürlich lächerlich, aber …
Aber jetzt sollte mich der Teufel holen, wenn nicht die ganze Galerie um mich herumstand. Die Leute, die sich vorn Ms. Shachats Blumen angesehen hatten, waren aus reiner Neugier nach hinten gekommen. Sie bildeten eine vertraute Ansammlung; ähnliche Gruppen hatte ich an den Gucklöchern in Hunderten von Bauzäunen stehen gesehen.
»Ich kann Ihnen sagen, wie so was abläuft«, sagte ein anderer Mann mit Michigan-Bräune. Er war schmerbäuchig, hatte eine Säufernase mit geplatzten Äderchen und trug ein Hawaiihemd, das ihm fast bis zu den Knien reichte. Seine weißen Schuhe passten zu seinem korrekt gescheitelten weißen Haar. »Das ist ganz einfach. Nur zwei Schritte. Schritt eins ist, dass Sie mir sagen, wie viel Sie für dieses da wollen.« Er zeigte auf das Bild Sonnenuntergang mit Seemöwe . »Schritt zwei ist, dass ich Ihnen den Scheck ausstelle.«
Der kleine Pulk um uns herum lachte. Dario Nannuzzi nicht. Er winkte mich zu sich.
»Entschuldigen Sie mich bitte«, sagte ich zu dem Weißhaarigen.
»Der Einsatz hat sich soeben erhöht, mein Freund«, sagte jemand zu Säufernase, was einige Lacher auslöste. Säufernase lachte mit, schien aber nicht wirklich amüsiert zu sein.
Das alles nahm ich wie im Traum wahr.
Nannuzzi lächelte und wandte sich dann an die Besucher, die noch meine Gemälde betrachteten. »Ladys und Gentlemen, Mr. Freemantle ist heute nicht hier, um etwas zu verkaufen, sondern nur um meine Meinung über seine Arbeiten einzuholen. Bitte respektieren Sie seine Privatsphäre und meine professionelle Situation.« Was immer man darunter versteht, dachte ich. »Darf ich vorschlagen, dass Sie sich die ausgestellten Werke ansehen, während wir uns kurz in mein Büro zurückziehen? Ms. Aucoin, Mr. Brooks und Mr. Castellano stehen Ihnen gern zur Verfügung, um alle Ihre Fragen zu beantworten.«
»Ich finde, ihr solltet diesen Mann unter Vertrag nehmen«, sagte eine streng aussehende Frau, die ihr grau meliertes Haar zu einem Nackenknoten zusammengefasst hatte und noch immer Reste von ehemaliger Schönheit im Gesicht trug. Es gab sogar verhaltenen Beifall. Mein Gefühl, in einem Traum zu sein, verstärkte sich.
Ein ätherischer junger Mann kam aus dem Hintergrund herangeschwebt.Vielleicht hatte Nannuzzi ihn gerufen, aber der Teufel sollte mich holen, wenn ich wusste, wie. Die beiden sprachen kurz miteinander, kurz darauf zauberte der Jüngling eine dicke Rolle Aufkleber hervor. Lauter Ovale mit dem in Silber geprägten Kürzel unverk . Nannuzzi zog einen ab, beugte sich damit über das erste Gemälde, zögerte dann und sah mich vorwurfsvoll an. »Die sind überhaupt nicht fixiert.«
»Äh... vermutlich nicht«, sagte ich und wurde wieder rot. »Ich weiß nicht... genau, wie man das macht.«
»Dario, hier hast du es mit einem echten Vertreter der naiven Kunst zu tun«, sagte die streng aussehende Frau. »Wenn er schon länger als drei Jahre malt, lade ich dich zum Dinner im Zoria’s ein - mit einer Flasche Wein.« Sie wandte mir ihr ruiniertes, aber noch immer beinahe hinreißendes Gesicht zu.
»Wenn und falls es etwas für dich zu schreiben gibt, Mary«, sagte Nannuzzi, »rufe ich dich persönlich an.«
»Das will ich hoffen«, antwortete sie. »Und ich frage ihn nicht mal nach seinem Namen - siehst du, was für ein braves Mädchen ich bin?« Sie wackelte mir mit den Fingern zu und schlüpfte durch die kleine Menge davon.
»Da gibt’s nicht viel zu fragen«, sagte Jack, und er hatte natürlich recht.
Ich hatte alle Gemälde links unten so ordentlich signiert, genau wie ich in meinem anderen Leben alle Aufträge, Rechnungen undVerträge unterschrieben hatte: Edgar Freemantle .
VII
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