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Wildhexe 1 - Die Feuerprobe

Wildhexe 1 - Die Feuerprobe

Titel: Wildhexe 1 - Die Feuerprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lene Kaaberbol
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1  MEERKATZE

    Der Kater stand mitten auf der Treppe und sah nicht so aus, als hätte er vor, mir aus dem Weg zu gehen.
    Es war der größte Kater, den ich je in meinem Leben gesehen hatte. Genauso groß wie der Labrador meines Freundes Oscar und genauso schwarz. Seine Augen leuchteten neongelb im Halbdunkel des Kellerschachts.
    »Ähm … Kater? Dürfte ich mal vorbei?«
    Nein.
    Also, es war nicht so, dass der Kater das gesagt hätte, aber man konnte es ihm ansehen. Er saß nicht zum Spaß hier und es war auch kein Zufall. Er saß hier, weil er hier sitzen wollte . Weil er etwas von mir wollte.
    Ich musste in die Schule. Ich war schon ein bisschen spät dran, und windig und regnerisch wie es war, würde die Fahrradfahrt weder besonders schnell gehen noch besonders lustig werden. Und ich hatte keine Lust, meiner Mathelehrerin zu erklären, dass ich zum zweiten Mal innerhalb von vierzehn Tagen zu spät in ihren Unterricht gekommen war, weil ich mich nicht an einer schwarzen Katze vorbeigetraut hatte.
    »Ksch«, fauchte ich den Kater an. »Weg da! Verschwinde! Tschüss!«
    Er machte nur das Maul auf und zeigte mir seine rosa Zunge und eine Reihe weißer Zähne, die nicht nur länger, sondern auch schärfer als gewöhnliche Katzenzähne waren. Außerdem konnte er ganz eindeutig besser fauchen als ich.
    Ich schob mein Fahrrad ein Stück die Rampe hoch und trat auf die nächste Treppenstufe. Der Kater und ich waren jetzt noch ungefähr zwei Meter voneinander entfernt. Ich wedelte mit der Hand.
    »Jetzt hau schon ab!«
    Er bewegte sich kein bisschen.
    Ich bin bestimmt nicht das mutigste Mädchen der Welt, aber in dem Moment hatte ich bedeutend mehr Angst vor meiner Mathelehrerin als vor diesem Kater. Ich holte tief Luft und stürmte, so schnell ich konnte, die Treppe hoch. Jetzt musste er ja abhauen – oder?
    Der Kater sprang. Nicht etwa zur Seite oder nach hinten, sondern direkt auf mich zu. Er traf meine Brust und mein Gesicht und für einen kurzen Moment sah ich nur noch schwarzes Fell. Ich stolperte, fiel rückwärts die Treppe hinunter und landete rücklings auf dem Boden des Schachts – über mir mein Fahrrad und der Kater. Mein Hinterkopf knallte auf den Zement und mein Ellenbogen schrammte über die raue Mauer. Aber es war der Kater, der dafür sorgte, dass ich stocksteif liegen blieb, während mir das Herz bis zum Hals schlug. Seine gelben Augen funkelten mich an, seine Krallen bohrten sich durch meine Regenjacke, durch den Pullover, bis auf die nackte Haut. Er war wie ein schwarzer, pelziger Schatten, der beinahe den ganzen Raum auszufüllen schien. Ich sah nur noch ihn, ein Stück blaugrauen Himmel und den Regen, der in großen, kalten Tropfen auf uns beide herunterfiel.
    Er hob eine Vorderpfote und zeigte mir seine gespreizten, ausgefahrenen Krallen. Sie waren blaugrau und an der Spitze milchweiß.
    »Nein, lass das …«, flüsterte ich, ohne wirklich zu wissen, wovor ich Angst hatte.
    Ich lag auf meinem linken Arm, aber ich versuchte, ihn mit dem rechten wegzuschieben. Sein Fell war nass und schwer und das nicht nur vom Regen. Er roch nach Meer, nach Tang und Salzwasser. Und ich konnte ihn keinen Millimeter bewegen.
    Wusch.
    In einer blitzschnellen, fegenden Bewegung schoss seine Pfote auf mein Gesicht zu, und seine Krallen zerkratzten mir direkt über der Nase die Haut, genau zwischen den Augenbrauen. Ich spürte sofort, wie das Blut an meiner Nasenwurzel herunterrann und musste blinzeln, um es nicht in die Augen zu bekommen. Und während ich noch immer wie gelähmt war, spürte ich seine warme, raue Zunge wie ein Reibeisen über meine Stirn streichen.
    Er leckte das Blut aus der Wunde, die er selbst mir zugefügt hatte.
    »Clara! Was ist denn los? Du kommst zu spät!«
    Die Stimme meiner Mutter kam aus dem Arbeitszimmer. Ich stand an der Wohnungstür und war unfähig, etwas zu sagen. Einen Augenblick später stand sie vor mir.
    »Aber Mäuschen«, sagte sie erschrocken, »was ist passiert?«
    Ich schüttelte den Kopf. Eigentlich sogar den ganzen Körper, so sehr zitterte ich. Die Wunde auf der Stirn brannte und schmerzte, und ich hatte das Gefühl, noch immer das Gewicht des nassen Katzenkörpers über mir zu spüren und Tang, Salz und Blut zu riechen.
    »Ein Kater«, flüsterte ich. »Das war … ein Kater.«
    Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Mama mir glauben würde. Ich hatte erwartet, dass sie mir erst eine Menge Fragen stellen würde, um mir dann zu sagen, dass ich übertrieb. Ich meine, wie

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