Wahn - Duma Key
wirkte.
Ich bot ihm ein Bier an, das er dankend annahm. Als ich aus der Küche zurückkam, begutachtete er eine Federzeichnung von mir - drei Palmen als Silhouetten vor einer Wasserfläche; am linken Rand eine ins Bild hineinragende Veranda mit Fliegenfenstern. »Das ist ziemlich gut«, sagte er. »Hast du das gezeichnet?«
»Nee, die Elfen«, sagte ich. »Die kommen nachts. Flicken meine Schuhe und lassen gelegentlich ein Bild da.«
Er lachte zu laut und legte die Skizze auf den Schreibtisch zurück. »Sieht abba nick sähr nach Minnesödda aus«, imitierte er mal wieder einen schwedischen Akzent.
»Ich hab es aus einem Buch abgezeichnet«, sagte ich. Tatsächlich hatte ich ein Foto aus einem Immobilienprospekt als Vorlage benutzt. Es war aus dem sogenannten »Florida-Raum« des Hauses aufgenommen, das ich gerade für ein Jahr gemietet hatte. Ich war noch nie in Florida gewesen, nicht einmal im Urlaub, aber dieses Bild hatte etwas tief in meinem Inneren angesprochen, und ich empfand zum ersten Mal seit meinem Unfall etwas wie Vorfreude. Sie war schwach, aber immerhin vorhanden. »Was kann ich für dich tun, Tom? Wenn’s ums Geschäft geht...«
»Tatsächlich hat Pam mich gebeten, zu dir rauszufahren.« Er zog den Kopf leicht ein. »Ich hatte keine große Lust dazu, aber ich dachte, ich kann nicht ablehnen. Aus alter Freundschaft, weißt du.«
»Klar.« Tom stammte noch aus der Zeit, als die Freemantle Company aus nichts anderem als drei Pick-ups, einem Caterpillar D9 und jeder Menge hochfliegenden Träumen bestanden hatte. »Also spuck’s aus. Du weißt, ich beiße nicht.«
»Sie hat sich einen Anwalt genommen. Sie macht mit dieser Scheidungssache weiter.«
»Ich dachte nie, dass sie damit aufhört.« Das war die Wahrheit. Ich konnte mich noch immer nicht daran erinnern, sie gewürgt zu haben, aber ich erinnerte mich an den Blick, mit dem sie mir vorgeworfen hatte, ich hätte sie gewürgt. Und unabhängig davon kehrte Pam selten um, wenn sie einmal angefangen hatte, einer Straße zu folgen.
»Sie möchte wissen, ob du dich von Bozie vertreten lassen willst.«
Darüber musste ich lächeln. William Bozeman III. war ein adretter, manikürter, Fliege tragender Mittsechziger, und wenn er gewusst hätte, dass Tom und ich ihn seit über zwanzig Jahren Bozie nannten, hätte das vermutlich eine Embolie verursacht.
»Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Worauf läuft das denn hinaus, Tom? Was will sie genau?«
Er trank sein halbes Bier in einem Zug aus, dann stellte er das Glas neben meiner bescheuerten Zeichnung ab. Sein Gesicht war matt ziegelrot angelaufen. »Sie hat gesagt, dass sie hofft, dass es nicht gemein werden muss. Sie hat gesagt: ›Ich will nicht reich werden, und ich will keinen Streit. Ich will nur, dass er die Mädchen und mich fair behandelt, wie er es immer getan hat, richtest du ihm das aus?‹ Und das tue ich hiermit.« Er zuckte mit den Schultern.
Ich stand auf, trat an das große Fenster zwischen Wohnzimmer und Veranda und sah auf den See hinaus. Bald würde ich in meinen »Florida-Raum« gehen, was immer das war, und über den Golf von Mexiko hinausblicken können. Ich fragte mich, ob das anders, ob das besser sein würde, als auf den Lake Phalen hinauszusehen. Ich befand, ich würde mich mit anders begnügen, zumindest vorläufig. Anders wäre schon ein Anfang. Als ich mich wieder umdrehte, hatte Tom Riley sich fast bis zur Unkenntlichkeit verändert. Erst dachte ich, ihm sei schlecht. Dann merkte ich, dass er verzweifelt gegen Tränen ankämpfte.
»Tom, was ist los?«, fragte ich.
Er versuchte zu sprechen, brachte aber nur ein wässriges Krächzen heraus. Er räusperte sich und nahm einen neuen Anlauf. »Boss, ich kann mich einfach nicht daran gewöhnen, dich mit nur einem Arm zu sehen. Tut mir so leid!«
Das war ungekünstelt, spontan und rührend: ein glatter Herzschuss. Ich glaube, wir waren einen Augenblick kurz davor, zu flennen wie zwei sensible Kerle in der Oprah Winfrey Show .
Diese Vorstellung half mir, mich wieder unter Kontrolle zu bekommen. »Mir tut’s auch leid«, sagte ich, »aber ich komme zurecht. Wirklich. Jetzt trink dein verdammtes Bier, bevor es schal wird.«
Er lachte und kippte sich das restliche Grain Belt ins Glas.
»Ich gebe dir ein Angebot mit, das du ihr überbringen kannst«, sagte ich. »Wenn sie einverstanden ist, können wir die Einzelheiten festklopfen. Ein Do-it-yourself-Deal. Keine Anwälte nötig.«
»Ist das dein Ernst, Eddie?«
»Klar
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