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Wainwood House - Rachels Geheimnis

Wainwood House - Rachels Geheimnis

Titel: Wainwood House - Rachels Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stoffers
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auf die offene Flur bis nach Wainwood House.
    Beim Gehen war ihr zumindest ein bisschen wärmer geworden, und als sie die Anhöhe hinaufgestiegen war, wichen auch die nächtlichen Schatten immer weiter zurück und die Landschaft um sie herum schälte sich aus dem Zwielicht. Jane blieb am Fuße des mächtigen Eisentors stehen und musste den Kopf in den Nacken legen, um bis zu den schmiedeeisernen Spitzen hinaufsehen zu können. Es ragte abweisend über ihr auf und bewegte sich kein Stück, als sie versuchte, es mit der Hand aufzudrücken. Sie stellte die Reisetasche ab und stemmte sich mit der ganzen Kraft, die in ihrer kleinen, mageren Gestalt steckte, gegen das Gitter. Es rührt sich nicht.
    Als sie sich wieder aufrichtete, kam ihr zum ersten Mal der Gedanke, dass sie sich Mrs Tillings Rat womöglich besser hätte zu Herzen nehmen sollen. Die ältere Dame hatte ihr zum Abschied aufgetragen, Lord Derrington ihre Ankunft in einem Brief mitzuteilen und im Gasthof auf seine Antwort zu warten. Jane, die in ihrem ganzen Leben noch keinen einzigen Brief geschrieben hatte, war dieses Prozedere höchst lästig vorgekommen. Warum hätte sie Zeit und Geld damit verschwenden sollen, eine Botschaft zu überbringen, die überflüssig wurde, wenn sie stattdessen persönlich vorsprach? Nun stand sie vor dem verschlossenen Tor, und es gelang ihr noch nicht einmal, bis auf das Grundstück von Lord Derrington zu gelangen.
    Doch Jane war nicht den ganzen Weg bis nach England gekommen, um sich jetzt von solchen Formalitäten wie eisernen Toren und Steinmauern aufhalten zu lassen! Sie ließ ihre Tasche zurück, verließ die Straße und begann die Mauer entlangzuwandern. Das feuchte Gras durchnässte die Säume ihrer Röcke und einmal blieb sie mit dem Stoff an einem Brombeerstrauch hängen. Doch schließlich fand sie einen Baum, dessen Zweige bis über die Mauerkrone hinweg reichten. Die Rinde unter ihren Fingern war rutschig vom Tau. Auf einem Ast stürzte sie fast ab und zerriss sich dabei die Strümpfe. Während sie sich am Mauersims festkrallte und mühsam hinaufstemmte, beglückwünschte Jane sich zu der Entscheidung, das Korsett in der Tasche gelassen zu haben. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie darin hätte klettern können. Das war schon in dem langen Kleid schwer genug. Einen Moment lang strampelte sie hilflos mit den Beinen ins Leere, bevor sie sich vollends in die Höhe zog und vor Anstrengung keuchend auf der Backsteinmauer thronte. Als sie den Blick hob, breiteten sich die Hügel und endlosen Baumwipfel eines Parks wie die sanften Wellen einer grünen Brandung vor ihr aus. Ein breiter Kiesweg schlängelte sich durch die Landschaft. Er führte über einen Fluss hinweg auf ein Herrenhaus zu. Von ihrem erhöhten Sitz aus konnte Jane nur die oberen Stockwerke und die Dächer inmitten des Parks ausmachen. Im Gasthof hatte sie gehört, dass es sich bei Wainwood um ein einziges großes Haus handelte. Doch als sie jetzt versuchte, die Entfernung bis zum Portal abzuschätzen, erschien es Jane undenkbar, dass eine solch gewaltige Ansammlung von Ziegeln und Balken, Fenstern und Säulen, Zinnen und Dachschrägen zu einem einzelnen Gebäude gehören sollte. Sie hatte auf ihrer Reise ganze Dörfer gesehen, die kleiner waren als Wainwood House.
    Über den Wiesen lag ein blasser Dunst. Er strich mit milchigen Geisterfingern um die Bäume und marmornen Statuen. Die Nächte wurden bereits empfindlich kühl und die ersten Sonnenstrahlen des anbrechenden Tages trafen auf feuchte Erde. Auf der Mauerkrone stockte Jane bei diesem Ausblick der Atem. Bisher war England für sie nur eine nasskalte Zumutung gewesen. Eine Aneinanderreihung von überfüllten Zügen, lärmenden Straßen und trostlosen Wartesälen. Sie war im Nieselregen in London von Bord eines Schiffes gegangen, das sie von Alexandria aus über das Mittelmeer bis nach England gebracht hatte. Sie hatte in Pensionen übernachtet, deren Mauern vom Rauch der Fabrikschlote geschwärzt worden waren. Und so hatte sie die Gluthitze ihrer Heimat mit jeder launischen Windböe mehr vermisst. In diesem Augenblick jedoch brach über Wainwood House der Tag unter einem wolkenlosen Himmel an. Obwohl die Sonne nur noch wenig Kraft besaß, waren ihre Strahlen warm genug, um die Nebelschleier zu durchdringen und die Alleen des Parks mit zartem Licht zu fluten. In der klaren Luft lag schon die würzige Note des Oktobers und im Fluss trieben wie Sprenkel goldgelbe Blätter auf dem Wasser, doch der

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