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Wainwood House - Rachels Geheimnis

Wainwood House - Rachels Geheimnis

Titel: Wainwood House - Rachels Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stoffers
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Gleichmut den Seifenschaum in einer silbernen Schale an, während sich Julian um einen halbwegs respektablen Gesichtsausdruck bemühte, dem Kissenabdruck auf seiner Wange zum Trotz. Das Einzige, was sie verband, dachte Samuel, während er den Rasierschaum auf Julians Wangen strich, war das Gefühl, dass sie beide nur durch eine Verkettung seltsamer Umstände in Wainwood gestrandet waren und im Grunde an einen völlig anderen Ort gehörten. Doch schon im nächsten Moment verwarf er diesen unerhörten Gedanken wieder. Zwischen der Herrschaft und ihrem Gesinde wurden niemals Ver gleiche angestellt. Wenn er diese Torheit laut ausge sprochen hätte, wäre er von Mr Frost zweifellos darauf hingewiesen worden, dass es ihm nicht anstand, über die Gedanken eines Gentlemans zu spekulieren. Nicht einmal dann, wenn er im Nachthemd vor Samuel auf einem Hocker saß und aussah, als würde er jeden Moment im Sitzen wieder einschlafen. Außerdem musste er sich konzentrieren, um Julian Rushforth beim Rasieren nicht in die blaublütige Wange zu schneiden.
    Ungeachtet der unziemlichen Gedanken seines zweiten Hausdieners, plagten Maxwell Frost in diesem Augenblick andere Sorgen. Der Butler schritt gerade durch den Lieferantenausgang ins Freie, nachdem bereits die gesamte Küche darüber in Aufruhr geraten war, dass eine Zigeunerin ums Haus schlich. Die Scheuermagd hatte sich bei dem Anblick der Fremden derart erschrocken, dass sie die Putzlumpen fallen gelassen hatte. Als Frost hinaustrat, setzte hinter seinem Rücken ein aufgeregtes Getuschel ein, und fast bereute er es, das absonderliche Mädchen nicht doch fortgeschickt zu haben.
    Der Hinterhof, in dem sie beide nun standen, war sehr viel weniger prächtig als die Stufen der Freitreppe vor dem Haus. Das Mädchen hingegen war noch immer dieselbe Zumutung. Mehrere Strähnen hatten sich aus dem einfachen Haarknoten an ihrem Hinterkopf gelöst. Ihre Finger waren aufgeschürft und an ihrem Rock klebte Erde. Am absonderlichsten aber war ihre Hautfarbe. Nicht blass, rosig oder sommersprossig, sondern wie ein starker Tee mit einem Schuss Milch. Dass auch ihre Manieren zu wünschen übrig ließen, verriet ihm ihr unhöfliches Starren. Mit zwei erstaunlich dunklen Augen sah sie ihm geradewegs ins Gesicht. Falls sie Angst hatte, und nach Mr Frosts Dafürhalten hätte sie Angst haben sollen, dann konnte sie das sehr gut verbergen.
    »Was ist das für ein Brief?«, wollte er wissen. »Und wehe dir, wenn du meine Zeit verschwendet hast.« Frost musste sich keine Mühe geben, um bedrohlich auszusehen. Er hatte jahrelang an seinem Auftreten ge feilt und verströmte eine so untergründige Macht und Willensstärke, dass er selten laut werden musste.
    Anstelle einer Antwort hielt sie ihm einen Umschlag entgegen. Er war bereits leicht zerknittert. Ein undefinierbarer Fleck prangte auf der Rückseite. Dennoch konnte Frost die Anschrift lesen und das Siegel im Wachs erkennen. Als er danach greifen wollte, zog das kleine Biest die Hand mit dem Brief wieder zurück.
    »Ich übergebe ihn nur persönlich«, erklärter sie mit einer ruhigen Bestimmtheit, die keinem jungen Mädchen zustand, ganz gleich wie absonderlich es war. »Mein Name ist Jane Swain. Colonel Feltham schickt mich. Ich bin gekommen, um Mr Goodall zu sehen.«
    Frost kniff die Augen zusammen, sicher, dass sie die unziemliche Anrede nur benutzte, um ihn zu provozieren. Dennoch verbesserte er sie erwartungsgemäß. »Lord Derrington für dich!«, zischt er sie an.
    Einen Moment lang blieben die beiden regungslos in dem verwaisten Hof stehen, wie zwei Kontrahenten, die sich auf ein Duell vorbereiteten. Frost wusste, dass hinter ihm an den Fenstern der Küche die halbe Dienerschaft klebte und das Geschehen keine Sekunde aus den Augen ließ. Und diese unleidige Angelegenheit kostete ihn bereits zu viel Zeit. Andererseits erinnerte er sich noch gut an den jungen Thaddeus Feltham, auch wenn seither viele Jahre ins Land gegangen waren und es schon seit Langem kein Lebenszeichen mehr von dem Colonel gegeben hatte. Endlich rang er sich ein äußerst knapp bemessenes Nicken ab.
    »Seine Lordschaft hat noch nicht gefrühstückt«, ließ er vernehmen. »Also wirst du in der Wäschekammer warten, bis du gerufen wirst. Du wirst nichts anrühren, mit niemanden sprechen und unsere Arbeit nicht stören!« Nach seinem Dafürhalten war damit alles gesagt und so wandte sich Maxwell Frost auf dem Absatz herum und schritt vor Jane die wenigen Stufen hinab ins Haus.

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