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Wainwood House - Rachels Geheimnis

Wainwood House - Rachels Geheimnis

Titel: Wainwood House - Rachels Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stoffers
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blieb vor Überraschung prompt wieder stehen, obwohl er noch immer in Eile war. Stand dort draußen nicht ein Mädchen auf dem Kiesweg, halb verdeckt von dem steinernen Geländer der Terrasse? Doch das war wohl vollkommen unmöglich! Denn wie hätte sie in den Park kommen sollen? Bevor er ans Fenster treten konnte, um sich Gewissheit zu verschaffen, kam ihm August mit einem Tablett entgegen. »Geh schon hoch, ich decke den Tisch allein«, raunte er Sam im Vorbeigehen zu.
    Samuel nickte dankbar und eilte mit unziemlicher Hast weiter. Im ersten Stock reichte ein Blick an den Türen im Korridor entlang, um zu sehen, dass alle Schuhe bereits hereingeholt worden waren und er einmal mehr zu spät kam. Unwillkürlich schritt er noch schneller aus. Der Korridor zog sich endlos vor ihm hin, als würden die alten Mauern die Naturgesetze überwinden und sich künstlich in die Länge ziehen. Hinter den geschlossenen Türen waren gedämpfte Stimmen zu hören und leises Plätschern von Wasser. Dicke Läufer schluckten Samuels Schritte. Außer ihm war niemand zu sehen. Erst an der letzten Tür am hinteren Ende des Flures blieb er stehen und klopfte in einem präzise bemessenen Rhythmus gegen das Holz. Ohne eine Antwort abzuwarten, drückte er die Klinke herab und bemühte sich um jenen unaufdringlichen Tonfall, den er in den letzten Wochen so sorgfältig geübt und mit Augusts Hilfe perfektioniert hatte. »Guten Morgen, Mr Rushforth. Ich komme zum Wecken.«
    Sein Herz schlug eine Idee zu schnell, nachdem er beinahe hinaufgerannt war. Doch der junge Mann schaffte es, den Eindruck zu erwecken, er wäre bloß würdevoll geschritten. Verstohlen zupfte er sich die Weste zurecht und schob die lästige Strähne hinters Ohr zurück. Julian Rushforths Schlafzimmer unterschied sich in nichts von den anderen, nur dass es zur Rückfront des Hauses hinausging und keine Morgensonne hereinschien. Das zerwühlte Bett war bereits leer. Auf dem Weg zum Fenster sammelte Sam eine verirrte Socke ein. Als er die Vorhänge aufzog, sah er wieder eine schwarze Gestalt vor der Hintertür stehen. Ganz ohne jeden Zweifel stand dort ein orientalisch wirkendes Mädchen. Es hatte sich ein buntes Tuch um die Schultern geschlungen, hielt eine Tasche in der Hand und trug keinen Hut auf den dunklen Haaren.
    »Morgen, Sam, spät dran!« Als Samuel aufsah, lehnte der junge Herr in der Tür zum angrenzenden Badezimmer, das braune Haar noch vom Schlaf zerzaust, mit einer Büchse Zahnpulver in der Hand. Ihm klebte ein Rest rötlicher Schaum vom Zähneputzen im Mundwinkel, und sein jungenhaftes Lächeln begrüßte Sam wie einen geheimen Verbündeten innerhalb dieses großen Hauses, das sie beide jeden Tag aufs Neue zu verschlucken drohte.
    Das war der Moment morgens, in dem die gehetzte Eile von Samuel abfiel, wie ein schlecht sitzender Mantel. Er ertappte sich dabei, das Lächeln zu erwidern, mit einer Vertrautheit, die ihm keineswegs zustand. Doch falls der junge Mr Rushforth sich daran störte, war es ihm nicht anzusehen. Er kehrte ins Bad zurück, im festen Vertrauen darauf, dass Samuel ihm folgen würde, um ihm bei der Rasur zur Hand zu gehen. Lord Derringtons Mündel Julian war in diesem Sommer aus Eton nach Hause zurückgekehrt, nachdem er seine Ausbildung dort abgeschlossen hatte. Neben seinen übrigen Pflichten stand Samuel Mr Rushforth tagtäglich zur Verfügung, so wie die beiden obersten Hausmädchen den Töchtern der Familie aufwarteten. Mit dem verirrten Socken in der einen Hand und einem frischen Handtuch in der anderen machte Sam sich daran, seiner Aufgabe gerecht zu werden.
    Obwohl der Umbau nun schon fast ein Jahr her war, kam es ihm immer noch ungeheuerlich vor, dass die Schlafzimmer im ersten Stock nicht nur über fließendes Wasser, sondern sogar über ein eigenes Badezimmer verfügten. Von einem solchen Luxus hatte er bis dahin nur aus Erzählungen gehört, aber Julian schienen die immensen Annehmlichkeiten seines Lebens völlig unbeeindruckt zu lassen. Als Sam hinter ihn an den Waschtisch trat, sah er für einen Moment ihre Gesichter nebeneinander im Spiegel. Sie waren beide achtzehn Jahre alt, doch das war auch schon die einzige Gemeinsamkeit. Während Julian bei seiner Rückkehr nach Wainwood House einen Diener zugeteilt bekommen hatte, der ihm jeden Handgriff abnahm, hatte Samuel schon vor Jahren seine erste Stelle angetreten. Dennoch schien keiner von beiden in diesem Augenblick im Bad unglücklich zu sein. Sam rührte mit fast meditativem

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