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Waisen des Alls

Waisen des Alls

Titel: Waisen des Alls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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dicht bewaldeten Tal absenkte, das in südlicher Richtung den Weg zurückführte, den er und Kao Chih zwei Tage zuvor zurückgelegt hatten. Greg hockte sich hinter einen Felsvorsprung und überlegte, wie er weiter vorgehen sollte. Er blickte über die Baumkronen hinweg, hinter denen allmählich die Sonne unterging. Dann ertönte von rechts ein lauter Ruf - einer der Angreifer stand etwa hundert Meter entfernt auf dem Grat und zielte mit einem Gewehr auf ihn.
    Voller Angst warf Greg sich nach vorn und rollte ein Stück weit den Hang hinunter, dann sprang er auf die Beine und stürmte weiter. Als er den schattigen Waldrand erreichte, glitt er in einer Schlammpfütze aus. Ihm rutschten die Beine weg. Vor ihm war ein Durcheinander von Steinen, doch er fuchtelte mit den Armen und bekam zum Glück einen kräftigen Busch zu fassen, der seinen Sturz verlangsamte. Sein Rücken und seine Seite waren nass und verdreckt, doch da er immer noch verfolgt wurde, achtete er nicht darauf, sondern drang tiefer in den Wald ein.
    Die folgenden zehn Stunden über war Greg damit beschäftigt, auszuweichen und sich zu verstecken, zu kriechen und zu klettern, zu schleichen und zu lauern. Es war eine seltsame, launische Jagd, die bis tief in die Nacht andauerte. Im Wald von Darien wurde es niemals vollständig
dunkel - Ulbywurzeln, ein verbreitetes parasitäres Knollengewächs, spendeten bleiches, gelbgrünes Licht, während die Panzer der Inekakäfer ein schwaches bläuliches Licht aussandten. Die Leuchtpflanzen verliehen den Lichtungen ein geisterhaftes Aussehen, eine Art friedlicher Stille, als hielte der ganze Wald den Atem an. Heute jedoch hatten sich die hellen Stellen mit Gregs Gemütszustand verschworen und wirkten auf ihn eher bedrohlich und unheilkündend.
    Die Morgendämmerung war kalt und neblig, die ersten Sonnenstrahlen tasteten sich wie ein leuchtendes Rinnsal durchs Unterholz. Greg richtete sich aus dem Einschnitt auf, in dem er sich ausgeruht hatte, und spähte durch einen Schwarzlaubvorhang. Im Tal hatte er sich durch ausgetrocknete Wasserrinnen und alle Spuren verwischende Bäche zu dem Weg zurückgearbeitet, dem er und Kao Chih gefolgt waren. Durch den Einschnitt überblickte er einen dicht bewaldeten Hang, der zum Weg hin abfiel. Links war Süden, und etwa zwei Kilometer hinter ihm befand sich die Stelle, wo man sie angegriffen hatte. Im Norden lichtete sich der Wald ein wenig, und der steinige Weg führte in Serpentinen einen Hang hoch, hinter dem er schließlich verschwand. Irgendwo hinter den flachen Waldhügeln lag Belskirnir, wo Greg sich mit einem Mittelsmann Alexandr Washutkins treffen wollte. Washutkin war der letzte Überlebende von Sundstroms Kabinett und hielt immer noch in Trond aus …
    Allmählich wurde es heller, und aus den Baumwipfeln tönten Tierlaute, ein Piepsen, laute Pfiffe und krächzendes Geschrei, als ob die Tiere den sprichwörtlichen Perlmuttglanz des Himmels begrüßten, den der helle Sonnenschein schob bald fortbrennen würde. Greg spähte ins Laub, sah in die Ferne, hielt im Unterholz Ausschau nach einer Bewegung.
Es war ein paar Stunden her, dass er seinen Verfolger, einen schlanken, bärtigen Mann mit einem Gewehr, der nördlich von ihm aus einem Dickicht getreten, parallel zum Weg marschiert und südlich von ihm verschwunden war, zuletzt gesehen hatte.
    Greg nickte und sagte sich, es sei an der Zeit, nach Kao Chih zu suchen.
    Er kletterte aus dem Einschnitt hervor, hockte sich hinter eine Ansammlung von Perlbeerbüschen und entwarf im Kopf eine Route über den bewaldeten Hang. Dann kroch er weiter in Richtung des nächsten Baums und war noch vier Schritte davon entfernt, als er von hinten gepackt und zu Boden geworfen wurde. Keuchend wehrte er sich gegen das Gewicht auf seinem Rücken und tastete durch verschiedene Kleidungsschichten hindurch nach der Pistole, die er in eine Innentasche gesteckt hatte. Dabei wäre ihm fast entgangen, dass der Angreifer immer wieder seinen Namen flüsterte.
    »Greg … Greg! Ich bin’s, Alexej!«
    Plötzlich erkannte er die Stimme wieder und stellte die Gegenwehr ein. Die Last verschwand von seinem Rücken. Schwer atmend setzte er sich auf und erblickte neben sich im Gras den grinsenden Alexej Firmanow. Er war ein schlaksiger, dunkelhaariger Russe mit markanten Wangenknochen und schmalem Kinn und trug eine dunkelgrüne Jacke über dunkelgrauer Jagdkleidung.
    »Was … zum Teufel … tun Sie hier?«, fragte Greg.
    »Die haben entlang des Wegs nach

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