Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
einer früheren geologischen Periode mag der Waldensee vielleicht durch sie hindurch geflossen sein, ja würde man etwas durch Graben nachhelfen – Gott möge es verhüten! – könnte es wieder geschehen. Wen würde es nicht schmerzen, wenn der Waldensee, der so viele, viele Jahre im Verborgenen, wie ein Einsiedler in den Wäldern, ein ernstes Dasein führte, und dadurch wunderbar sich selber läuterte, einst mit dem verhältnismäßig unreinen Wasser des Flintteiches in Berührung käme, oder seine süße Frische an des Meeres Wellen verschwenden würde?
Der Flint- oder Sandyteich, unser größter Binnensee in Lincoln, liegt ungefähr eine Meile östlich vom Walden. Er ist viel größer, auch fischreicher und soll einhundertundsiebenundneunzig Morgen bedecken. Er ist jedoch verhältnismäßig seicht und nicht besonders rein. Ein Spaziergang dorthin durch die Wälder hat mich oft erquickt. Das war schon deshalb lohnend, weil einem der Wind frisch um die Wangen blies und weil man durch die rollenden Wogen ans Seemannsleben erinnert wurde. An windigen Herbsttagen ging ich zum Kastaniensuchen hinüber: die Früchte, die ins Wasser fielen,wurden mir vor die Füße gespült. Eines Tages kroch ich an seinem schilfbewachsenen Ufer entlang, während kühler Gischt in mein Gesicht wehte. Da stieß ich auf das Wrack eines Bootes, dessen Teile bereits vermodert waren. Kaum mehr als der Abdruck seines flachen Rumpfes war zwischen dem Schilf zurückgeblieben. Seine Umrisse waren indessen noch scharf ausgeprägt, glichen gewissermaßen einem großen, verwelkten Lilienblatt mit deutlich sichtbaren Adern. Es machte einen so tiefen Eindruck auf mich wie ein Wrack am Meeresufer und lehrte eine ebenso gute Moral. Allmählich ist es ganz zu Erde geworden, und keine Spur am Teichufer weist noch darauf hin. Jetzt wachsen dort Binsen und Schwertlilien. Stets hatte ich meine Freude an der gerippten Zeichnung des sandigen Bodens, der durch den Wasserdruck fest und für die Füße des Watenden unnachgiebig geworden war – an den Binsen, die hintereinander im Gänsemarsch wuchsen, und getreulich sich den Wellenlinien der Bodenzeichnung anpaßten, gerade als ob die Wellen sie gepflanzt hätten. Dort habe ich auch in beträchtlicher Zahl merkwürdige Bälle gefunden, die augenscheinlich aus zartem Gras, aus Wurzeln, vielleicht aus Pfeifenkraut bestanden. Ihr Durchmesser schwankte zwischen einem halben und vier Zoll. Sie waren vollkommen rund. Beim ersten Anblick hätte man glauben können, daß sie durch die Wirkung der Wellen geformt wären, ähnlich wie glatte Kiesel. Doch selbst die kleinsten, einen halben Zoll starken Bälle waren aus dem gleichen, groben Material gebildet und wurden nur zu einer bestimmten Jahreszeit sichtbar. Im übrigen vermute ich, daß durch die Wellen solche Stoffe, die schon eine gewisse Konsistenz besitzen, eher abgenutzt als zusammengesetzt werden. Wenn man diese Kugeln trocknet, so behalten sie ihre Form dauernd.
Flints Teich ! Wie arm ist unser Wortschatz! Was berechtigte den unsauberen und beschränkten Bauer, der dieses Ufer grausam verwüstet hatte, dessen Farm an dieses Himmelswasser grenzte, ihm seinen Namen zu geben? Wer gab einem gewissen Herrn Flint, einem Filz, das Recht dazu, ihm, dem doch die spiegelnde Fläche eines Dollar oder eines glänzenden Cent, in der er sein eigenes, unverfrorenesGesicht betrachten kann, weit besser behagt? Ihm, dem sogar die wilden Enten auf dem Teich als Einbrecher galten, dessen Finger sich infolge der langjährigen Gewohnheit des harpyenhaften Greifens und Raffens zu krummen hornigen Krallen entwickelt hatten! Nein, ich heiße den Teich nicht so! Ich pilgere nicht zu seinem Ufer, um von Herrn Flint etwas zu sehen oder zu hören. Der sah den Teich nie; er badete nicht darin, er liebte und schützte ihn auch nicht, sprach nie ein gutes Wort über ihn und dankte auch dem Herrgott nicht, daß er den See erschuf. Eher soll dieser Teich nach den Fischen genannt werden, die darin schwimmen, nach dem Geflügel und den Vierfüßlern, die ihn aufsuchen, nach der wilden Blume, die an seinem Ufer wächst, nach irgend einem Indianer, nach einem Kind, dessen Lebensfaden mit diesem Teich verwoben ist. Doch nicht nach Flint, der kein anderes Recht auf ihn geltend machen konnte als seinen Vertrag, den er von einem ebenbürtigen Nachbar oder von einer Regierung erhalten hatte, die seiner würdig war; der im Teich nur ein Geldobjekt sah, und dessen Gegenwart allein vielleicht dem
Weitere Kostenlose Bücher