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Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
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augenscheinlich nach besten Kräften die kurze Zeit aus, ehe noch der Winter seine Fensterladen aus Eis über ihr breites Oberlicht zog. Manchmal sah es aus, als ob eine leichte Brise über den Wasserspiegel lief oder einige Regentropfen auf ihn niederfielen. Wenn ich mich unvorsichtig einem Schwarme näherte, dann verursachten die Tiere mit ihren Schwänzen ein plötzliches Aufspritzen und Gekräusel des Wassers, daß man glauben konnte, jemand habe mit einem buschigen Zweig darauf geschlagen. Dann verschwanden sie sofort in der Tiefe. Endlich erhob sich ein Wind, der Nebel nahm zu, die Wellen begannen zu wachsen und die Barsche sprangen höher denn zuvor. Hunderte von schwarzen, drei Zoll langen Punkten befanden sich gleichzeitig über der Oberfläche. Selbst am fünften Dezember sah ich noch einmal einige Tüpfelchen über dem Wasserspiegel. Da die Luft nebelig war und ich glaubte, es würde sogleich ein heftiger Regen niederfallen, ergriff ich schleunigst die Ruder und begann heimzufahren. Der Regen schien auch wirklich bald ärger zu werden, obwohl ich ihn noch nicht an meinen Wangen spürte, und ich machte mich schon auf eine gehörige Durchnässung gefaßt. Doch plötzlich verschwanden die Tüpfelchen: Barsche, die durch das Geräusch der Ruder in die Tiefe verscheucht wurden, hatten sie verursacht. Undeutlich konnte ich noch gerade erkennen, wie ihr Schwarm in der Tiefe verschwand. So verbrachte ich doch noch einen trockenen Nachmittag.
     
    Ein alter Mann, der vor sechzig Jahren den Waldenteich häufigbesuchte, zu einer Zeit, wo die dichten umliegenden Wälder dem See noch ein dunkeles Aussehen gaben, erzählte mir, daß er ihn in diesen Tagen mit Enten und anderen Wasservögeln dicht bedeckt fand, und daß es hier viele Adler gegeben habe. Er kam hierher, um zu fischen, und benutzte ein altes Baumkanoe, das er am Ufer fand. Es bestand aus zwei ausgehöhlten und miteinander verbundenen Weißtannenstämmen und war an den Enden rechtwinkelig. Wenn auch recht plump, tat es viele Jahre lang seine Dienste. Dann wurde es leck und sank wahrscheinlich auf den Grund. Den Eigentümer kannte er nicht: es gehörte dem Teich. Um ein Ankertau zu haben, pflegte er Streifen von Walnußbast zusammenzubinden. Ein anderer alter Mann, ein Töpfer, der vor der Revolution am Teichufer wohnte, hatte ihm erzählt, auf dem Grund liege eine eiserne Kiste, er habe sie selbst gesehen. Sie tauche manchmal auf und treibe dem Ufer zu, wenn man aber sich ihr nähern wolle, dann kehre sie ins tiefe Wasser zurück und verschwinde. Ich hörte mit Freuden von dem alten Baumkanoe, das dazu diente, ein anmutigeres und aus dem gleichen Material verfertigtes Fahrzeug der Indianer zu ersetzen. Dieses alte plumpe Kanoe war anfangs vielleicht ein Baum am Teichesrand, der fiel gleichsam ins Wasser hinein, um dort ein Menschenalter lang zu schwimmen, – kein Schiff paßte je besser hierher! Ich erinnere mich, daß ich beim ersten Blick in die Tiefe des Sees undeutlich viele große Stämme auf dem Boden liegen sah, die entweder früher vom Sturme hineingeweht oder auf dem Eis zurückgelassen waren, damals beim letzten Holzschlag, als das Holz noch billiger war. Doch jetzt sind sie zum größten Teil verschwunden.
     
    Als ich zum erstenmal mein Boot auf dem Waldenteich dahintrieb, war er völlig von dichten und hohen Fichten- und Eichenwäldern umgeben, ja, in einige Buchten hatten sich Ranken über die nahe am Wasser stehenden Bäume geschlungen und schattige Laubdächer gebildet, unter welchen ein Boot fahren konnte. Die Hügel, welche sein Ufer bilden, sind so steil und die umrahmenden Wälder waren damals so hoch, daß man glauben konnte – hauptsächlich wenn man an seinem westlichen Ende stand – ein Amphitheater für irgend einWaldschauspiel vor sich zu sehen. In jungen Jahren ließ ich mich manche Stunde lang, nachdem ich mein Boot zur Mitte des Sees gerudert hatte, vom Zephyr über die Fluten treiben. Dann lag ich an Sommervormittagen, quer über die Bänke ausgestreckt, auf dem Rücken und träumte wachend, bis das Boot auf Sand stieß, und ich, hierdurch erweckt, um mich blickte, um zu erfahren, an welches Ufer mein Schicksal mich verschlagen habe. An solchen Tagen war Müßiggang die einladendste und fruchtbringendste Betätigung. Wie häufig schlich ich mich heimlich fort, weil ich es vorzog, den wertvollsten Teil des Tages auf diese Weise zu verbringen! Denn ich war reich, wenn nicht an Geld, so doch an sonnigen Stunden und Sommertagen.

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