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Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
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sie auf ein Zeichen ihres Führers mit lautem Flügelschlag in die Lüfte. Dann stellten sie sich – ich zählte neunundzwanzig – in Reih und Glied, zogen ihre Kreise über meinem Haupt und nahmen schließlich denKurs direkt auf Canada zu, während der Kommodore von Zeit zu Zeit regelmäßig sein Honk ertönen ließ. Sie hofften ihren Hunger in schlammreicheren Teichen stillen zu können. Ein Schwarm Wildenten stieg zu gleicher Zeit auf und schlug den Weg nach Norden ein, die gleiche Flügelbahn benutzend wie ihre noch mehr lärmenden Verwandten.
     
    Eine Woche lang hörte ich an nebeligen Morgen eine einsame Wildgans, die schreiend im Kreise umhertappte, um ihre Gefährten zu suchen. Sie erfüllte die Wälder mit dem Klang eines reicheren Lebens, als sie zu unterhalten vermochten. Im April ließen sich die Tauben wieder sehen; schnell kamen sie in kleinen Schwärmen herbeigeflogen. Zur richtigen Zeit hörte ich auch die Mauerschwalben, die über meiner Lichtung zwitscherten. Da es nicht den Anschein hatte, als ob das Stadtgebiet an diesen Sängern so reich sei, daß es mir einige abtreten könnte, bildete ich mir ein, daß sie jenem alten Geschlechte angehörten, das in Baumstämmen lebte, bevor die weißen Männer kamen. Fast in jedem Klima gehören die Schildkröte und der Frosch zu den Vorboten und Herolden dieser Jahreszeit. Die Vögel singen und schwirren mit glänzendem Gefieder durch die Luft. Pflanzen sprossen empor und blühen und die Winde wehen, um diese leichte Schwankung der Pole auszugleichen, um das Gleichgewicht der Natur wieder herzustellen.
     
    Wie jede Jahreszeit, sobald sie einmal da ist, uns als die beste erscheint, so wirkte der Frühlingseinzug wie die Erschaffung des Kosmos aus dem Chaos wie die Verwirklichung des goldenen Zeitalters auf uns.
     
    "Eurus ad Auroram, Nabathaeaque regna recessit
"Persidaque, et radiis juga subdita matutinis." "Eurus entwich zu Aurora, zur nabathanischen Herrschaft,
"Und zu dem Persergebiet, und den Höhen am Lichte des Morgens.
     
    "Und es erhob sich der Mensch: ob ihn aus göttlichem Samen
"Schuf der Vater der Ding' als Quell der edleren Schöpfung,
"Oder ob frisch die Erde, die jüngst vom erhabenen Äther
"Los sich wand, noch Samen enthielt des befreundete Himmels."
     
    Ein einziger, milder Regen macht das Gras um manche Schattierungen grüner. So hellt sich unsere Zukunftshoffnung durch den Einfluß besserer Gedanken auf. Gesegnet wären wir, wenn wir immer in der Gegenwart lebten, wenn wir jedes Ereignis, das an uns herantritt, vorteilhaft zu benutzen wüßten, wie das Gras, das den Einfluß des leichtesten Taus, der es feuchtet, verrät, wenn wir unsere Zeit nicht dazu mißbrauchten, früher Versäumtes nachzuholen, was wir dann Pflichterfüllung nennen. Wir kleben noch am Winter, wenn es schon Frühling ist. An einem frischen Frühlingsmorgen sind dem Menschen alle Sünden vergeben. Solch ein Tag bringt Waffenstillstand für das Laster. Solange solch eine Sonne ohne Unterlaß uns scheint, kann der größte elendste Sünder umkehren. Durch die Unschuld, die wir selber wiederfanden, sehen wir die Unschuld unserer Nachbarn. Auch wenn Du Deinen Nächsten gestern noch als Dieb, Trunkenbold oder Lüstling gekannt hast, nur Mitleid oder Verachtung für ihn fühltest und an der Welt verzweifelt bist – jetzt an diesem ersten Frühlingsmorgen, wo hell und rein die Sonne hinunterblickt, siehst Du ihn bei friedlich heiterer Arbeit, siehst wie seine schlaffen, kranken Adern mit stiller Freude sich füllen, den neuen Tag segnen und wie er den Einfluß des Frühlings mit Kinderunschuld in sich saugt, und all seine Sünden sind vergessen. Ihn umschwebt nicht nur eine Atmosphäre guten Willens, nein auch ein Drang nach Heiligkeit ringt blind und vergeblich vielleicht nach Betätigung wie ein neuerwachter Instinkt, so daß – wenigstens eine Zeitlang der Hügelabhang keinen gemeinen Witz vernimmt. Du siehst einige unschuldige, schöne Triebe, die gerade aus der knorrigen Rinde hervorbrechen wollen, um ein neues Lebensjahr zu versuchen, so zart und frisch wie der jüngste Tag. Auch er ging ein zu seines Herrn Freude. Warum läßt der Kerkermeister die Türen nicht weit offen stehen? Warum schickt der Richter den Angeklagten nicht fort? Warum schickt der Priester seine Gemeinde nicht fort? Weil sie alle Gottes Wink nicht folgen, nicht die Vergebung annehmen wollen, die ihnen von Herzen angeboten wird.
     
    "Eine Rückkehr zum Guten, welche jeden Tag in der ruhigen

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