Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
sogenannte Architekten in diesem Lande. Wenigstens von einem hat man mir erzählt, daß ihm, gleich einer Offenbarung der Gedanke gekommen sei, architektonischen Ornamenten einen inneren Gehalt von Wahrheit, Berechtigung und daher auch von Schönheit zu verleihen. Das war alles von seinem Standpunkt aus vielleicht ganz gut, und doch nur wenig besser als der allgemeine Dilettantismus. Dieser sentimentale Reformator der Architektur begann oben am Gesims, nicht beim Fundamente. Für ihn handelte es sich nur darum, in die Ornamente einen Kern von Wahrheit hineinzulegen, damit jedes Stückchen Zuckerzeug seine Mandel oder seinen Anissamen enthalte – ich glaube übrigens, daß Mandeln ohne Zucker gesunder sind – und nicht darum, daß der Bewohner, der Inwohner, nach innen und nach außen der Wahrheitsgemäß baue und die Ornamente sich selbst überlasse. Welcher vernünftige Mensch hat je geglaubt, daß Ornamente etwas Äußerliches, nur in der Kaut Befindliches seien, daß die Schildkröte ihr gestecktes Schild, daß die Auster ihren Perlmutterglanz durch ein ähnliches Verfahren erlangte, wie die Bewohner des Broadway ihre Trinitatiskirche? Der Mensch hat aber ebensowenig mit dem architektonischen Stil seines Hauses zu tun, wie die Schildkröte mit der Zeichnung ihres Gehäuses. Auch braucht der Soldat sich nicht damit zu plagen, die Farbe seines Mutes auf seine Fahne zu malen.Der Feind wird sich darüber schon Klarheit verschaffen. Wer weiß, ob der Soldat nicht erblaßt, wenns zur Feuerprobe kommt. Dieser Architekt schien mir, über das Gesims gelehnt, zaghaft seine Halbwahrheiten den unwissenden Einwohnern zuzuflüstern, die in Wirklichkeit die Sache besser verstanden als er. Die architektonische Schönheit, die ich jetzt sehe, ist meines Wissens allmählich von innen herausgewachsen, heraus aus den Bedürfnissen und der Eigenart des Inwohners, als welcher der alleinige Erbauer ist – heraus aus unbewußter Wahrhaftigkeit und Vornehmheit, ohne daß je auf die äußerliche Wirkung Rücksicht genommen wurde. Sollte der Schönheit von dieser Art eine Weiterentwicklung bestimmt sein, so wird ihr eine gleichfalls unbewußte Schönheit des Lebens vorangehen. Die interessantesten Wohnstätten in diesem Lande sind, wie der Maler weiß, die anspruchslosesten: die bescheidenen Blockhütten und Häuschen der Armen zumeist. Das Leben der Einwohner, das sich in diesem Gehäuse abspielt, nicht irgend eine Eigentümlichkeit an der Außenseite macht sie pittoresk. Ebenso interessant wird der "Kasten" des Städters in der Vorstadt sein, wenn sein Leben einen einfachen und wohltuenden Eindruck macht, wenn er die architektonische Wirkung seines Hauses ebensowenig forciert wie der Arme. Architektonische Ornamente sind zum großen Teil buchstäblich hohl. Ein kräftiger Septemberwind fegt sie fort, wie geborgte Federn, ohne dem Gesamtbild Schaden zuzufügen. Wer weder Oliven noch Wein im Keller hat, kann sich ohne "Architektur" behelfen. Was würde geschehen, wenn man gerade so viel Aufhebens um die Schnörkeleien in der Literatur machen würde, wenn die Baumeister unserer Bibeln gerade so viel Zeit auf das Beiwerk verwendet hätten, wie die Baumeister unserer Kirchen? So macht man belles-lettres und beaux-arts und ihre Professoren. Aber natürlich für den Menschen ist es von großer Wichtigkeit, wie ein paar Holzlatten über ihm und unter ihm gelegt, und was für Farben auf seinen Kasten geschmiert sind! Ja, hätte er eigenhändig und nach reiflicher Überlegung das Legen und das Anstreichen besorgt – dann könnte man wenigstens irgend etwas von Bedeutung darin sehen. Doch da der Geist aus demBewohner entflohen ist, so ist die Herstellung des Hauses gleichbedeutend mit der des Sarges – eine Grabarchitektur, und die Bezeichnung "Zimmermann" nur ein anderer Ausdruck für den "Sargfabrikanten". Ein Mensch hat einmal aus Verzweiflung oder aus Gleichgültigkeit gegen das Leben gesagt: "Nimm eine Handvoll von der Erde zu Deinen Füßen und bemale Dein Haus mit dieser Farbe." Dachte er an sein letztes und enges Haus? Das mögen die Würfel entscheiden! Welchen Überfluß an Muße muß er haben! Wozu die Handvoll Erde? Du tust besser daran, Dein Haus nach Deiner eigenen Gesichtsfarbe anzustreichen! Laß es statt Deiner erblassen und erröten. Das wäre so ein Unternehmen, um den architektonischen Stil unsrer Landhäuser zu verbessern! Wenn Ihr meine Ornamente fertig habt, will ich sie anbringen.
Bevor der Winter kam, baute ich
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