Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
dazu, daß dieses scheinbar unbedeutende Ereignis so wichtig erschien wie der Auszug der Götter aus Troja.
Ich grub meinen Keller in die südliche Böschung des Hügels, wo früher einmal ein Murmeltier seine Höhle hatte, tief durch Sumach- und Brombeerwurzeln und durch die letzten Spuren von Vegetation. Er maß sechs Fuß im Quadrat und war sieben Fuß tief. Dort gab es seinen Sand, in welchem die Kartoffeln selbst in kalten Wintern nicht erfrieren. Die Seiten ließ ich abschüssig, wie sie waren, ohne sie auszumauern; da die Sonne sie nie beschienen hatte, blieb der Sand an seinem Platze. Die ganze Arbeit währte nur zwei Stunden. Gerade das Graben machte mir besondere Freude, denn in fast allen Zonen graben die Menschen in die Erde, um eine gleichmäßige Temperatur zu erhalten. Selbst unter dem elegantesten Hause in der Stadt kann man stets einen Keller finden, der, wie in alter Zeit, zum Aufbewahren der Wurzeln dient, und der sich, selbst wenn der Oberbau schon längst verschwunden ist, der Nachwelt durch eine Vertiefung im Erdboden verrät. Das Haus ist noch immer nichts anderes als eine Art Vorhalle beim Eingang in die Grube.
Endlich errichtete ich anfangs Mai den Rohbau meines Hauses. Wenn ich dazu die Hilfe einiger Bekannten benutzte, so geschah das mehr, weil ich eine solch günstige Gelegenheit mich als guter Nachbar zu erweisen, benutzen wollte, als aus Notwendigkeit. Kein Mensch ward je mehr durch das Ansehen seiner Mitarbeiter geehrt als ich. Ich hoffe zuversichtlich, daß sie dazu bestimmt sind, später einmalstolzere Bauten zu errichten. Am vierten Juli zog ich, sobald Fußboden und Dach fertig gestellt waren, in mein Haus ein. Alle Bretter waren mit Sorgfalt schräg zugeschnitten. Sie wurden derart übereinander gelegt, daß Regen absolut nicht durchdringen konnte. Ehe ich jedoch den Boden dielte, legte ich an einer Seite den Grund zu einem Kamin. Ich trug zu diesem Zwecke zwei Karrenladungen Steine auf den Armen vom Teich zu meinem Hügel herauf. Den Kamin baute ich im Herbst, als ich mit dem Hacken meiner Saat fertig war, noch ehe ich eines wärmenden Feuers bedurfte. Mittlerweile kochte ich in aller Morgenfrühe im Freien auf dem Erdboden. Dies Verfahren ist meiner Ansicht nach in mancher Beziehung bequemer und angenehmer als das übliche. Gab es Regen und Wind, bevor mein Brot gebacken war, so befestigte ich einige Bretter über dem Feuer, setzte mich darunter, gab acht auf das Brot und verbrachte auf solche Weise einige angenehme Stunden. An diesen Tagen, wo meine Hände viel zu tun hatten, las ich nur wenig. Doch der kleinste Papierfetzen, der am Boden lag und der mir zum Anfassen des Kochtopfes oder auch als Tischtuch diente, verschaffte mir gerade so viel Unterhaltung, ja entsprach seinem Zweck tatsächlich gerade so gut wie die Ilias.
Es wäre schon der Mühe wert, wenn man beim Bauen noch viel überlegter als ich vorginge, wenn man z. B. in Erwägung zöge, inwiefern eine Tür, ein Fenster, ein Keller, eine Bodenkammer durch die Natur des Menschen begründet sind, wenn man nur dann einen Oberbau errichten würde, wenn ein triftigerer Grund als unser momentanes Bedürfnis vorhanden wäre. Der Mensch soll sein Haus ganz nach seinen Bedürfnissen schaffen wie der Vogel sein Nest. Wenn die Menschen ihr Haus mit ihren eigenen Händen bauen und harmlos und ehrlich sich und ihre Familien mit Nahrung versorgen würden, wer weiß, ob da nicht die poetische Ader allgemein sich entwickeln würde! Singen nicht die Vögel überall bei dieser Arbeit? Doch ach! Wir gleichen dem Kuhvogel und dem Kuckuck, die ihre Eier in Nester legten, die andere Vögel bauten. Und dabei erfreuen sie den Wanderer durch ihr Geschwätz und ihre unmusikalischenTöne durchaus nicht. Wollen wir denn für alle Zeit das Vergnügen des Bauens dem Zimmermann überlassen? Was ist Architektur in den Augen der großen Masse? Nie traf ich auf meinen zahlreichen Spaziergängen einen Menschen, der sich der einfachen und natürlichen Beschäftigung sein eigenes Haus zu bauen, widmete. Wir gehören dem Gemeinwesen. Nicht nur der Schneider macht den Mann, sondern auch der Geistliche, der Kaufmann und der Farmer. Wo wird diese Arbeitsteilung enden? Welchem Zweck dient sie schließlich? Allerdings – ein anderer kann auch für mich denken. Trotzdem ist es durchaus nicht wünschenswert, daß er dies in einem solchen Maße besorgt, daß mein selbständiges Denken gänzlich ausgeschlossen wird.
Es ist wahr: es gibt
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