Waldos Lied (German Edition)
Holzsplittern im Griff? «
»Ich glaube nicht«, beruhigte ich sie.
»Das ist gut. Sonst hätten wir noch eine Geschichte erfinden müssen, nicht wahr? «
Bei diesen Worten lächelte sie ein wenig. Sie glich in diesem Moment so sehr ihrer Mutter, dass sich mir das Herz zusammenzog.
Sie machte eine Pause. »Wer war der Mann, der meinen Vater tötete? «
»Ich kann es Euch nicht sagen. Wir haben unter den Toten auf dem Schlachtfeld nach ihm gesucht. Doch wir haben ihn nicht gefunden.«
»Dieses Geheimnis hat das Schwert also bewahrt«, stellte sie fest.
Ja, dieses Geheimnis hatte das Schwert bewahrt.
Das ist das Ende der Geschichte, die ich erzählen wollte. Die Geschichte eines Mannes und Mönchs, der auf der Suche nach einem Schwert seinen Glauben an Gott verlor. Und der den Rest seines Lebens mit dem Versuch zubringen wird, diesen Glauben wiederzufinden.
Es gibt nicht mehr viel nachzutragen. Adelheid von Ungarn kehrte in ihr Königreich und zu ihrem Gemahl zurück. Sie nahm das Schwert und den kleinen Splitter aus seinem Griff mit sich. Agnes von Zähringen, Beringo, Meginfried und ich begleiteten den Königssohn Berthold auf seinem Heimweg an den Rhein. Etwa zehn Jahre später, 1090, wurde er an der Seite seiner Mutter Adelheid, seines kleinen Bruders Otto und seiner Schwester Adelheid, der Königin von Ungarn, in St. Blasien zur letzten Ruhe gebettet. Nur Rudolf kehrte niemals in seine Heimat am Rhein zurück.
Auch mein Onkel und Meginfried machten sich auf die Rückreise. Beringo ist vor etwa fünfzehn Jahren in der Bretagne gestorben. Das war die letzte Nachricht, die ich von meiner Familie erhielt. Meginfried zog zu seinen Leuten. Dort sitzt er wahrscheinlich jetzt im Kreise seiner Enkel, die mit großen Augen seinen Erzählungen lauschen und ihn für seine sanfte Seele lieben. Sie fehlen mir noch immer.
Ich lebe seitdem als einfacher Mönch im Kloster St. Blasien, als Einsiedler in einer Zelle im Wald. Alle halten mich für einen wunderlichen Alten. Der Wald ist der einzige Ort, an dem ich das Gefühl habe, dass es Gott vielleicht doch geben könnte. Wenn die Vögel singen, die Sonne scheint, der Wind durch die Zweige streicht, dann spüre ich manchmal, ganz leise, Seine Gegenwart. Ich spüre Ihn auch, wenn ich zu dem Felsen gehe, an dem ich mich vor so vielen Jahren mit Sophia getroffen habe.
Der große Splitter aus dem Kreuz des Erlösers gehört nun dem Kloster St. Blasien, wie ich es immer wollte. Doch er ist in kein Gemmenkreuz mit Perlen und Edelsteinen gefasst, wie Adelheid von Ungarn es sich gewünscht hatte. Er liegt hier neben mir, ganz oben auf den Pergamenten mit meinem Lied vom Sachsenkrieg. Inzwischen kenne ich jede kleine Maserung in diesem Holz. Als ich die Reliquie zusammen mit der Schenkung und dem Brief der Königin von Ungarn vor allen Mönchen an Abt Giselbertus übergeben wollte, lachten meine Mitbrüder mich aus. Sie glaubten nicht an die Echtheit, sondern vermuteten ein Blendwerk des Teufels in ihr. Je mehr ich sie anflehte, mir zu glauben, desto zorniger wurden sie, so dass Giselbertus alle Mühe hatte, wenigstens meinen Kopf zu retten. Auch deshalb baute ich mir meine Einsiedlerzelle im Wald.
Doch ich bin dort selten allein. Immer wieder kommen Menschen zu mir, die ihren Gott verloren haben oder Rat suchen. So, wie einst zu Zeiten König Rudolfs.
Ich weiß bis heute nicht, ob das, was ich tat, richtig oder falsch war, gut oder böse. Das mögen Klügere als ich entscheiden. Vielleicht sogar einmal Gott selbst, wenn ich vor seinem Thron stehe.
Bevor ich jedoch die Feder aus der Hand lege, gibt es noch etwas zu berichten. Es ist schon viele Jahre her, und es geschah, als ich bereits ein alter Mann war.
Eines Tages kam eine Frau mit den kleinen, unsicheren Schritten einer Greisin über den schmalen steinigen Weg zu meiner Zelle in den Wald und klopfte an meine Tür. Sie wurde von einem stattlichen Mann begleitet. Nicht groß, aber mit breiten Schultern und einem guten, ehrlichen Gesicht. Er stützte die alte Frau liebevoll, behandelte sie mit Respekt und Zuneigung. Zuerst konnte ich das Gesicht meiner Besucherin nicht sehen, denn sie trug einen Schleier vor dem Gesicht. Dann hob sie ihn hoch. Mir blieb das Herz stehen.
»Ich hoffe, du erkennst mich noch, Waldo von St. Blasien. Trotz all meiner Runzeln und Falten«, sagte Sophia lachend.
Ich stand da, stumm wie ein Fisch und völlig außerstande auch nur zur kleinsten Bewegung.
»Waldo, mein Liebster. Bin
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