Walisischer Sommer
Stunden habe ich damit verbracht, alle Passagierlisten der Flugzeuge durchzusehen, die aus Pakistan kamen …”
„Mein Flug war überbucht, deshalb hat man mich auf die Warteliste gesetzt. Den ersten freien Platz habe ich dann bekommen”, erklärte sie. „Oh, Daniel …”
Während sie so dastanden und sich tief in die Augen schauten, stieß jemand Daniel versehentlich an und entschuldigte sich im Vorbeihasten.
Durch den leichten Aufprall fielen Briefe aus der Innentasche von Daniels Jacke. Er bückte sich, um sie aufzuheben, doch einer entglitt seiner Hand. Christa erkannte den Briefkopf einer renommierten Universität.
Stirnrunzelnd blickte sie darauf, und noch ehe Daniel es verhindern konnte, griff sie danach und las das Schreiben durch. Dann wurde sie ganz blaß.
„Du hast dich um eine Professur beworben?” meinte sie ungläubig. „Aber du hast doch immer gesagt, das würdest du nie tun.”
„Ja”, stimmte er ruhig zu.
„Warum hast du es dir anders überlegt?” fragte Christa, obwohl sie die Antwort zu kennen glaubte.
„Weil du mir mehr bedeutest als das Schulungszentrum, Christa. Ich habe eingesehen, daß es zwischen uns stehen würde. Solange ich diese Tätigkeit ausübe, wirst du deine Zweifel und Ängste nicht los.”
„Nein, Daniel, nein”, widersprach sie. Irgendwie hatte sie das Gefühl, er würde ihr einen Spiegel vorhalten und ihr zeigen, wie kleinmütig und selbstsüchtig sie gewesen war.
„Nein”, bekräftigte sie noch einmal. „Das darfst du nicht tun.”
Er ließ sich nicht so leicht überzeugen. Das verriet sein Blick. Deshalb atmete sie tief ein, nahm ihren ganzen Mut zusammen und erklärte rasch: „Nein, das wäre nicht fair, denn ein Baby … ein Kind braucht frische Luft und viel Platz zum Spielen. Es soll nicht in der beengten Atmosphäre einer Universität aufwachsen. Außerdem braucht es einen Vater, der Zeit hat und nicht von morgens bis abends mit Vorlesungen beschäftigt ist und vielleicht auch noch Gastvorträge an Universitäten in anderen Städten hält.”
„Ein Baby …” Daniel wurde blaß. „Bist du sicher?”
„Nein”, gab sie zu. „Aber früher oder später werden wir sowieso ein Baby bekommen, Daniel, ein Kind … unser Kind. Oder etwa nicht?”
„Ja, ja, natürlich. Du liebe Zeit, Christa, weshalb stehen wir eigentlich immer noch hier herum? Laß uns endlich nach Hause fahren.”
Zwei Stunden später saß sie, eng an ihn geschmiegt, neben ihm im Sessel ihres Arbeitszimmers. Die Stoffmuster, die sie mitgebracht hatte, lagen auf dem Boden verstreut. Christa seufzte glücklich und kuschelte sich noch dichter an Daniel.
„Du hast mich gar nicht gefragt, was ich dem Vorstand der Handelskammer tatsächlich gesagt habe”, meinte er auf einmal.
„Nein, das ist nicht mehr nötig, es ist nämlich völlig unwichtig”, erwiderte Christa.
„Hm, mag sein. Dennoch sollst du es wissen. Ich habe ihm erklärt, daß meine ursprüngliche Absicht, dich vom Sinn und Zweck meiner Kurse zu überzeugen, wegen der persönlichen Beziehung, die sich zwischen uns entwickelt hat, aufgegeben habe. Zu dieser Stellungnahme fühlte ich mich irgendwie verpflichtet.”
„Wie auch dazu, mich zu heiraten, falls ich von dir schwanger bin?” neckte sie ihn und küßte ihn auf den Mund.
Er lachte. „Nein, ganz im Gegenteil, ich habe insgeheim sogar gehofft und mir gewünscht, daß unser Zusammensein Folgen hat.”
„Und wenn nicht?” fragte Christa.
„Dann müssen wir uns eben noch ein bißchen mehr anstrengen, nicht wahr, mein Liebling?” Seine Stimme klang zärtlich und liebevoll.
Statt ihm zu antworten, zeigte Christa ihm auf ganz besondere Art, was sie von seinem Vorschlag hielt.
– ENDE –
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