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Tiffany

Tiffany

Titel: Tiffany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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Prolog
    Das Tor zum Paradies war so verführerisch nahe. Ein paar Schritte genügten, um es zu öffnen: die kleine Flamme unter den Löffel, den Riemen um den Arm, die Nadel in die Ader. Einmal hindurch, und sie war erlöst von Einsamkeit, Sinnlosigkeit und dem Wissen, dass sie ganz allein mit allem fertig werden musste. Es fiel ihr immer schwerer, dem Drang nach mehr und nach öfter nicht nachzugeben, damit sie nicht zum totalen Junkie wurde.
    Sie wusste nicht, wo sie diesen letzten winzigen Rest Widerstand hernahm; er saß irgendwo tief in ihrem Innersten. Es gab Tage, da hätte sie ihn am liebsten herausgerissen, um dem Ganzen für immer entfliehen zu können, Schuss auf Schuss, oder gleich alles aufzugeben, indem sie mit Crack anfing, egal was die anderen auch sagen mochten, damit sie nicht mehr daran zu denken bräuchte, wer sie war, wo sie herkam und wie sie hierher geraten war.
    Tiffany, dachte sie. Mein Name ist Tiffany.
    Im Moment ging es ihr gut. Sie roch die Nacht, Auspuffgase, das feuchte Wintergras im Straßengraben. Es hieß, das Zeug würde die Sinne trüben, aber sie nahm alles deutlich wahr. Vor drei Stunden hatte sie sich den Schuss gesetzt. Sie konnte riechen und hören und sie konnte die anderen sehen, im Schein der Laternen unter den weit ausladenden Lindenzweigen. Es war noch früh.
    Die Stelle war gut. Eine übersichtliche Kurve und genügend Plätze zum Arbeiten in einem ruhigen Viertel in der Nähe, wo anständige Leute wohnten, die nicht in parkende Autos hineinschauten. Jede Menge Kunden, die sie immer wieder fanden, als tauschten sie die Information mittels Telepathie untereinander aus. Solange sie nicht zu viele wurden, fielen sie nicht auf, doch die Huren besaßen ihre eigenen telepathischen Kanäle oder vielleicht konnten sie auch einfach nur den Mund nicht halten, weshalb sich ihre Gruppe innerhalb von einer Woche von drei auf zehn vergrößert hatte. In der letzen Nacht waren wieder zwei dazugestoßen.
    Die Stadt versuchte, den Drogenstrich mithilfe von Streetworkern, Spritzbesteck-Ausgabestellen und Auffanghäusern in abgelegene, unbewohnte Gegenden zu verlagern, wo kein normaler Mensch auf der Straße herumlief, sodass man die Freier schon von weitem als solche erkennen konnte. Außerdem konnte sich jeder Kunde mit nur einem Funken Grips im Kopf ausrechnen, dass dort rund um die Arbeitsplätze Bullen in versteckt geparkten Ermittlungsfahrzeugen saßen, ihre Kennzeichen notierten, ihre Aktivitäten observierten und sich dabei einen runterholten.
    Hier ging es ganz einfach um Angebot und Nachfrage. Gefiel das Angebot nicht, blieb die Nachfrage aus. Also schwärmten die Mädels in andere Teile der Stadt aus, erst zwei, dann mehr. Die Kerle folgten von selbst. Sie hatten eine bessere Nase als die Polizei. Es konnte ein paar Nächte dauern, aber dann krochen ihre Autos erneut träge wie Schnecken an den ausgestellten Früchten vorbei.
    Indem man den Standort wechselte, konnte man sich auch von den Crackraucherinnen fern halten.
    Crack war das Schlimmste überhaupt. Sie hatte Patty eine geknallt, als die eines Tages mit Crack angekommen war, weil dieser bescheuerte Fik, der Straßendealer, nichts anderes gehabt hatte. Man sah sie um sich herum zu Grunde gehen und hämmerte sich mit aller Kraft ein, dass es mit Crack nur noch in eine Richtung weitergehen konnte.
    Die Heroinhuren gehörten allmählich einer aussterbenden Spezies an im Vergleich zu den vielen Crackraucherinnen, die die Stadt überschwemmten und so viel Geld für ihre Sucht auftreiben mussten, dass es sich jeder Berechnung entzog. Irgendjemand hatte sie einmal mit Schmetterlingen verglichen, die sich niederließen und wieder aufflatterten, bis sie irgendwann endgültig abstürzten. Schöne Schmetterlinge. Selbst den perversesten Freier schreckte die Vorstellung ab, eine von ihnen könnte gerade dann abstürzen, während sie in seinem Auto ihre Kunststückchen an ihm vollführte. Mal ganz abgesehen von der Gefahr, sich an ihren aufgesprungenen Cracklippen mit Aids zu infizieren.
    Patty hatte den neuen Standort entdeckt. Anfangs waren sie nur zu dritt gewesen, sie selbst, Patty und Fleur. Sie hingen immer zusammen. In der größten Not würden sie sich zwar für einen Schuss den Hals umdrehen, doch sie behielten stets im Hinterkopf, dass sie sich gegenseitig einen gewissen Schutz boten, indem sie in die Hände klatschten, wenn sie einen Freier kannten oder wenn einer normal wirkte, oder sich das Kennzeichen auf dem

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