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Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht

Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht

Titel: Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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fand, daß es besser sei, dich anzurufen.«
    »Autounfall?«
    »Nein, das nicht gerade. Ein alter Bauer hat angerufen, gesagt, daß er Nyström heißt und in Lenarp wohnt. Er behauptet, daß eine Nachbarin gefesselt auf der Erde sitzt und daß jemand umgekommen ist.«
    Wallander überlegte kurz, wo Lenarp genau lag. Nicht allzu weit weg von Marsvinsholm, in einem für schonische Verhältnisse relativ hügeligen Gebiet.
    »Es klang ernst. Ich dachte, es wäre das beste, dich direkt anzurufen.«
    »Wen hast du im Moment alles auf dem Präsidium?«
    »Peters und Noren sind gerade draußen und suchen nach einem, der beim ›Continental‹ eine Scheibe eingeworfen hat. Soll ich sie anfunken?«
    »Sag ihnen, sie sollen zur Kreuzung zwischen Kadesjö und Katslösa kommen und dort auf mich warten. Gib ihnen die Adresse durch. Wann kam der Anruf?«
    »Vor ein paar Minuten.«
    »Bist du sicher, daß es nicht doch nur ein Besoffener war?«
    »Es klang nicht danach.«
    »Na schön.«
    Er zog sich hastig an, ohne zu duschen, goß sich eine Tasse lauwarmen Kaffee ein, der noch in der Thermoskanne übrig |14| war und sah aus dem Fenster. Er wohnte in der Mariastraße, im Zentrum von Ystad, und die Häuserfassade gegenüber war rissig und grau. Einen Moment lang überlegte er, ob es in diesem Winter in Schonen wohl noch schneien würde, und hoffte, daß dies nicht der Fall sein würde. Mit den schonischen Schneestürmen kam unweigerlich eine Zeit unaufhörlicher Plackerei. Autounfälle, eingeschneite Frauen, die bald gebären würden, von der Außenwelt abgeschnittene, isolierte Rentner und heruntergestürzte Hochspannungsleitungen. Mit den Schneestürmen kam das Chaos, und er dachte, daß er in diesem Winter für eine Begegnung mit dem Chaos schlecht gerüstet war. Immer noch brannte in ihm die Angst, die ihn gepackt hatte, weil seine Frau ihn verlassen hatte.
    Er fuhr die Regementsstraße entlang, bis er zur östlichen Umgehungsstraße kam. An der Dragonstraße mußte er bei Rot anhalten, und er schaltete das Autoradio ein, um die Nachrichten zu hören. Eine aufgeregte Stimme berichtete von einem Flugzeugabsturz über einem fernen Kontinent.
    Leben hat seine Zeit, und Sterben hat seine Zeit
, dachte er, während er sich den Schlaf aus den Augen rieb. Diese Beschwörungsformel hatte er sich vor vielen Jahren selbst ausgedacht. Damals war er noch ein junger Polizist gewesen, der auf den Straßen seiner Heimatstadt Malmö Streife ging. Eines Tages hatte ein Betrunkener ein großes Schlachtermesser gezogen, als sie ihn vom Pildammspark wegfahren wollten. Wallander hatte einen tiefen Schnitt direkt neben dem Herzen abbekommen. Nur wenige Millimeter hatten ihn von einem vorzeitigen Tod getrennt. Er war gerade dreiundzwanzig Jahre alt und hatte mit tödlichem Ernst begreifen müssen, was es bedeutete, ein Polizist zu sein. Die Beschwörungsformel war seine Art, sich gegen das Bild aus der Erinnerung zu wehren.
    Er fuhr aus der Stadt hinaus, passierte das neugebaute Möbelhaus am Stadtrand und sah für einen flüchtigen Moment lang das Meer dahinter. Es war grau und lag doch eigentümlich still da, wenn man bedachte, daß es mitten im |15| Winter war. Weit draußen am Horizont zeichnete sich ein Schiff ab, das nach Osten steuerte.
    Die Schneestürme werden kommen, dachte er.
    Früher oder später brechen sie über uns herein.
    Er schaltete das Autoradio ab und versuchte, sich auf das Kommende zu konzentrieren.
    Was wußte er eigentlich bisher?
    Eine alte Frau, festgebunden auf der Erde sitzend? Ein alter Mann, der behauptet, sie gesehen zu haben? Er beschleunigte, als er die Abfahrt nach Bjäresjö passierte, und beschloß, daß es sich wohl nur um einen alten Mann handeln würde, der von plötzlich auftauchender Senilität gepackt worden war. In all den Jahren, die er schon bei der Polizei war, hatte er mehr als einmal erleben müssen, wie alte und isolierte Menschen das Rufen der Polizei als einen letzten, verzweifelten Hilferuf angewandt hatten.
    Der Streifenwagen wartete an der Abfahrt nach Kadesjö auf ihn. Peters war ausgestiegen und beobachtete einen Hasen, der ziellos auf einem Acker hin und her lief.
    Als er Wallander in seinem blauen Peugeot kommen sah, hob er die Hand zur Begrüßung und setzte sich ans Steuer. Der gefrorene Schotter knirschte unter den Reifen. Kurt Wallander folgte dem Streifenwagen. Sie passierten die Abzweigung nach Trunnerup, fuhren weiter einige steile Hügel hinauf und kamen schließlich nach Lenarp. Dort

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