Wallander 02 - Hunde von Riga
nach allen Regeln der Kunst gefoltert, bevor sie starben. Verbrannt, gehäutet, hatten gequetschte Finger, jede grausame Methode, die man sich nur vorstellen kann. Bist du noch dran?« fragte Mörth.
»Ja«, antwortete Wallander. »Ich bin noch dran. Ich denke nur darüber nach, was du da sagst.«
»Ich bin mir sicher.«
»Daran zweifle ich nicht. Aber so etwas haben wir ja nicht alle Tage.«
»Genau aus dem Grund habe ich es auch für wichtig gehalten, jetzt schon anzurufen.«
»Das war gut so«, sagte Wallander.
»Du bekommst meinen vollständigen Bericht morgen«, sagte Mörth. »Abgesehen von den Resultaten einiger Laborproben, die länger dauern.«
Sie beendeten das Gespräch. Wallander ging in die Kantine und goß sich den letzten Schluck Kaffee aus der Maschine ein. Der Raum war leer. Er setzte sich an einen der Tische.
Russen. Gefolterte Menschen aus dem Ostblock?
Er dachte, selbst Rydberg wäre der Ansicht gewesen, daß dies ganz nach einer schwierigen und langwierigen Ermittlung aussah.
Um halb acht stellte er die leere Kaffeetasse auf die Spüle.
Anschließend setzte er sich ins Auto und fuhr nach Hause. Der Wind hatte nachgelassen, und es war plötzlich kälter geworden.
|28| 3
Kurz nach zwei in dieser Nacht erwachte Kurt Wallander von einem stechenden Schmerz in seiner Brust. Er lag in der Dunkelheit und war sicher, daß er jetzt sterben würde. Es war die pausenlose und aufreibende Plackerei als Polizist, die nun ihren Tribut forderte. Jetzt sollte er also den Preis dafür zahlen. Scham und Verzweiflung darüber, daß alles bereits vorbei sein sollte, erfüllten ihn. Vom Leben blieb also zu guter Letzt nichts. Er lag regungslos in der Dunkelheit und spürte, wie der Schmerz und die Angst in ihm wuchsen. Wie lange er so dalag, nicht in der Lage, seine Angst in den Griff zu bekommen, konnte er später nie sagen. Aber nach und nach zwang er sich dazu, die Kontrolle über sich wiederzugewinnen.
Vorsichtig verließ er das Bett, zog sich an und ging zum Auto. Der Schmerz war schon nicht mehr so stechend, er kam und ging wie ein pulsierender Strom, strahlte bis in die Arme aus und schien dadurch etwas von seiner ersten, überwältigenden Intensität zu verlieren. Er setzte sich ins Auto, überredete sich, ruhig zu atmen, dann fuhr er durch die leeren, nächtlichen Straßen zur Notaufnahme des Krankenhauses. Eine Krankenschwester mit freundlichen Augen nahm ihn in Empfang und hörte sich an, was er zu sagen hatte. Sie behandelte ihn nicht wie eine hysterische, leicht übergewichtige Person, sondern wie einen Menschen, der Angst hat und weiß, daß er sich seine Schmerzen nicht einbildet. Aus einem anderen Behandlungsraum hörte man das Grölen eines Betrunkenen. Kurt Wallander lag auf einer Trage, der Schmerz kam und ging, und plötzlich stand ein junger Arzt neben ihm. Noch einmal beschrieb er seine Brustschmerzen. Sie schoben die Trage in einen anderen |29| Raum, und er wurde an ein EK G-Gerät angeschlossen, Blutdruck und Puls wurden gemessen, und auf die Frage, ob er rauche, schüttelte er den Kopf. Er hatte noch nie plötzliche Schmerzen in der Brust verspürt, und soweit ihm bekannt war, gab es auch keine chronischen Herzerkrankungen in seiner Familie. Der Arzt studierte die Kurve seines EKGs.
»Nichts Außergewöhnliches«, sagte er. »Es scheint alles in Ordnung zu sein. Was glauben Sie selbst? Was kann Ihre Angst ausgelöst haben?«
»Ich weiß es nicht.«
Der Arzt fuhr fort, das Krankenblatt zu studieren.
»Sie sind Polizist«, meinte er. »Ich könnte mir vorstellen, daß dies von Zeit zu Zeit ein sehr stressiger Beruf ist.«
»Eigentlich immer.«
»Wie steht es mit Ihrem Alkoholkonsum?«
»Ich bilde mir ein, daß er normal ist.«
Der Arzt setzte sich auf die Tischkante und legte das Krankenblatt weg. Kurt Wallander sah, daß er sehr müde war.
»Ich glaube nicht, daß es sich um eine Herzattacke handelt«, sagte der Arzt. »Vielleicht ist es einfach so, daß Ihr Körper Ihnen ein Alarmzeichen geben will, daß nicht alles so ist, wie es sein sollte. Darauf können nur Sie selbst antworten.«
»Das ist sicher richtig«, antwortete Wallander. »Ich frage mich täglich, was eigentlich mit meinem Leben los ist. Und ich merke, daß ich niemanden habe, mit dem ich darüber reden kann.«
»Das sollten Sie aber«, entgegnete der Arzt. »Es ist wichtig, so jemanden zu haben.«
Als in seiner Brusttasche ein Pieper ertönte, stand er von der Tischkante auf.
»Sie können über Nacht
Weitere Kostenlose Bücher