Wallander 02 - Hunde von Riga
es immer.
Als er Björks Büro verließ, merkte er, daß er Hunger hatte. |20| Da er leicht zunahm und ständig gegen ein drohendes Übergewicht ankämpfte, hatte er sich angewöhnt, das Mittagessen ausfallen zu lassen. Aber die Toten im Rettungsboot machten ihn rastlos. Er fuhr ins Zentrum, parkte den Wagen wie gewöhnlich in der Stickgatan und ging durch die schmalen, verschlungenen Gassen zu Fridolfs Konditorei. Dort aß er ein paar belegte Brote und trank ein Glas Milch dazu. Währenddessen überdachte er, was passiert war. Gestern, kurz vor 18 Uhr, hatte ein unbekannter Mann bei der Polizei angerufen und sie anonym davon in Kenntnis gesetzt, was geschehen würde. Nun wußten sie, daß er die Wahrheit gesagt hatte. Ein rotes Boot mit zwei toten Männern treibt an Land. Zumindest einer von ihnen ist durch einen Schuß ins Herz ermordet worden. In ihren Taschen befindet sich nichts, was über ihre Identität Aufschluß geben könnte.
Das war alles.
Wallander holte einen Stift aus seiner Jacke und machte sich ein paar Notizen auf einer Papierserviette. Bereits jetzt hatte er eine Reihe von Fragen, die es zu beantworten galt. Die ganze Zeit führte er in seinen Gedanken ein Gespräch mit Rydberg. Stelle ich die richtigen Fragen, vergesse ich etwas? Er versuchte, sich Rydbergs Antworten und Reaktionen vorzustellen. Mal gelang es ihm, mal sah er nur Rydbergs ausgemergeltes und eingefallenes Gesicht auf dem Totenbett vor sich.
Gegen halb vier war er wieder im Polizeipräsidium. Er ließ Martinsson und Svedberg in sein Büro kommen, schloß die Tür und gab der Zentrale die Anweisung, bis auf weiteres keine Gespräche zu ihm durchzustellen.
»Das wird nicht einfach werden«, begann er. »Wir können nur hoffen, daß die Obduktionen und die Untersuchung des Bootes und der Kleider etwas hergeben. Aber da sind trotzdem ein paar Fragen, auf die ich schon jetzt eine Antwort haben will.«
Svedberg lehnte mit einem Notizblock in der Hand an der Wand. Er war vierzig, fast glatzköpfig und in Ystad geboren. Es kursierten böswillige Gerüchte, er bekomme bereits Heimweh, |21| wenn er nur die Stadtgrenze passiere. Er wirkte behäbig und desinteressiert. Aber er war sehr gründlich, und darauf legte Wallander großen Wert. Martinsson war in vielerlei Hinsicht das genaue Gegenteil Svedbergs. Er war um die Dreißig, in Trollhättan geboren, und setzte alles daran, bei der Polizei Karriere zu machen. Darüber hinaus engagierte er sich in der Liberalen Partei, und Wallander hatte gehört, seine Aussichten, bei der Wahl im Herbst in den Stadtrat gewählt zu werden, stünden gut. Als Polizist war Martinsson impulsiv und ein wenig schlampig. Aber er hatte oft gute Ideen, und sein Ehrgeiz ließ ihn große Energie entwickeln, wenn er glaubte, der Lösung eines Problems auf die Spur gekommen zu sein.
»Ich will wissen, woher dieses Boot kommt«, sagte Wallander. »Sobald wir wissen, wie lange die beiden Männer schon tot sind, müssen wir versuchen herauszubekommen, aus welcher Richtung und wie lange das Boot schon getrieben ist.«
Svedberg sah ihn fragend an.
»Geht das?« wollte er wissen.
Wallander nickte.
»Wir müssen den Wetterdienst anrufen«, sagte er. »Die wissen alles über Wind und Wetter. Wir sollten uns ein ungefähres Bild davon machen können, woher das Boot gekommen ist. Dann will ich alles wissen, was über das Boot herauszukriegen ist. Wo es hergestellt wurde, welcher Schiffstyp so ein Boot bei sich gehabt haben könnte. Alles.«
Er nickte Martinsson zu.
»Das übernimmst du«, sagte er.
»Sollten wir nicht zuerst im Computer nachsehen, ob diese Männer gesucht werden?« fragte Martinsson.
»Damit fängst du am besten an«, erwiderte Wallander. »Nimm mit dem Seenotrettungsdienst Kontakt auf, informiere sämtliche Küstendistrikte entlang der Südküste. Und frag Björk, ob wir nicht sofort Interpol einschalten sollen. Wir müssen von Anfang an auf breiter Front vorgehen, wenn wir herausfinden wollen, wer sie sind.«
|22| Martinsson nickte und notierte etwas auf einem Zettel. Svedberg kaute gedankenverloren an seinem Stift.
»Ich werde die Kleidung der Männer untersuchen«, fuhr Wallander fort. »Es muß eine Spur geben. Es muß doch irgend etwas zu finden sein.«
Es klopfte an die Tür, und Norén kam herein. Er hielt eine zusammengerollte Seekarte in der Hand.
»Ich dachte, daß wir die brauchen könnten«, meinte er.
Wallander nickte.
Sie breiteten die Karte auf seinem Schreibtisch aus und
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