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Wallander 08 - Die Brandmauer

Wallander 08 - Die Brandmauer

Titel: Wallander 08 - Die Brandmauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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sich im Detail nicht in Erinnerung rufen. Aber er war von schattenhaften Gestalten gejagt worden und bedrohlich nahe daran gewesen, unter dem Druck schwerer Gewichte, die auf ihm lasteten, zu ersticken.
    Als er gegen acht Uhr ins Präsidium kam, blieb er nur kurz. Er hatte am Tag zuvor beschlossen, ein für allemal Antwort auf eine Frage zu bekommen, die ihn schon lange beschäftigte. Nachdem er einige Papiere durchgesehen und sich vergewissert hatte, daß das Fotoalbum, das er von Marianne Falk geliehen hatte, wirklich zurückgeschickt worden war, verließ er das Präsidium und fuhr zu den Hökbergs. Er wurde erwartet, da er seinen Besuch am Vortag bei Erik Hökberg angekündigt hatte. Sonjas Bruder Emil war in der Schule und Frau Hökberg auf einem ihrer regelmäßigen Besuche bei ihrer Schwester in Höör. Wallander sah, daß Erik Hökberg blaß und abgemagert war. Wallander trat ein und versprach, nicht lange zu bleiben.
    »Sie wollten Sonjas Zimmer noch einmal sehen«, sagte Erik Hökberg. »Aber ich habe nicht verstanden, warum.«
    »Ich will es Ihnen erklären, wenn wir oben sind. Ich möchte, daß Sie mitkommen.«
    »Wir haben nichts verändert. Wir können es einfach nicht. Noch nicht.«
    Sie stiegen ins Obergeschoß hinauf und betraten das rosa Zimmer, in dem Wallander schon bei seinem ersten Besuch das Gefühl gehabt hatte, daß etwas ganz und gar nicht stimmte.
    »Ich glaube nicht, daß dieses Zimmer immer so ausgesehen hat«, sagte er. »Irgendwann hat Sonja es ummöbliert. Nicht wahr?«
    Erik Hökberg blickte ihn erstaunt an. »Woher wissen Sie das?«
    »Ich weiß es nicht. Ich frage nur.«
    Erik Hökberg schluckte. Wallander wartete geduldig.
    |553| »Es war nach dieser Sache damals«, sagte Erik Hökberg. »Der Vergewaltigung. Plötzlich nahm sie alles von den Wänden und hängte alte Sachen auf, die sie früher gemocht hatte. Als sie jünger war. Was in Pappkartons auf dem Dachboden gelegen hatte. Wir haben wohl nie richtig verstanden, warum sie das alles wieder hervorholte. Und sie sagte auch nichts.«
    Ihr war etwas geraubt worden, dachte Wallander. Und sie flüchtete auf zweierlei Weise. Einerseits zurück in ihre Kindheit, als noch nichts zerstört war. Anderseits, indem sie eine stellvertretende Rache nahm.
    »Das wollte ich nur wissen«, sagte Wallander.
    »Warum ist das jetzt noch wichtig? Wo nichts mehr eine Rolle spielt. Sonja kommt nicht wieder. Für Ruth und mich und Emil wird es wohl nur ein halbes Leben sein, wenn überhaupt.«
    »Manchmal muß man einen Punkt setzen«, sagte Wallander zögernd. »Fragen, die unbeantwortet geblieben sind, können zu einer nachträglichen Qual werden. Aber natürlich haben Sie recht. Es ändert leider nichts.«
    Sie verließen das Zimmer und gingen nach unten. Erik Hökberg wollte Wallander Kaffee anbieten, aber Wallander lehnte dankend ab. Er wollte dieses Trauerhaus so schnell wie möglich verlassen.
    Er fuhr zum Zentrum hinunter. Dort parkte er in der Hamngata und ging zur Buchhandlung, die gerade aufmachte, um das Buch über Möbelpolsterei abzuholen, das schon allzulange hier gelegen hatte. Er war entsetzt über den Preis, ließ das Buch als Geschenk einschlagen und kehrte zum Auto zurück. Linda wollte am nächsten Tag nach Ystad kommen. Dann würde er es ihr geben.
    Um kurz nach neun war er zurück im Polizeipräsidium. Um halb zehn hatte er seine Aktenmappen genommen und sich in eins der Sitzungszimmer begeben. An diesem Morgen sollten sie ein letztes Mal alles durchgehen, was sich ereignet hatte, nachdem Tynnes Falk tot vor dem Geldautomaten bei den Kaufhäusern zusammengebrochen war. Anschließend würden sie das Material dem Staatsanwalt übergeben. Weil der Mord an Elvira Lindfeldt auch die Kollegen in Malmö betraf, sollte Kriminalinspektor Forsman, der die Ermittlung geleitet hatte, an ihrer Sitzung teilnehmen.
     
    |554| Zu diesem Zeitpunkt wußte Wallander noch nicht, daß der Verdacht der Mißhandlung nicht mehr auf ihm lastete. Dies sollte Ann-Britt ihm erst später am Tag mitteilen. Aber es war im Augenblick auch kein Thema, das ihn besonders beunruhigte. Für ihn war das wichtigste, daß Robert Modin überlebt hatte. Dieser Umstand half ihm auch über den Gedanken hinweg, der ihn zuweilen überfiel, daß er vielleicht Jonas Landahls Tod hätte verhindern können, wenn er nur ein Stück weitergedacht hätte. Aber in seinem Innersten wußte er, daß dies eine unsinnige Gewissensbelastung war. Es hieße, das Unmögliche zu verlangen. Doch

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